Full text: Die Stellung des deutschen Kaisers

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verweigern müssen. Steht z. B. in dem Beschluss des 
Bundesrates ein „soll“, während in dem des Reichstages 
an der’ entsprechenden Stelle ‚muss‘ steht, so würde der 
Kaiser seine Kompetenz überschreiten, wenn er den einen 
oder den anderen Ausdruck in die Ausfertigungsurkunde 
aufnähme. Denn es ist klar, dass er damit. materiell auf 
die Gesetzgebung einwirken würde, wozu ihm nirgends in 
der Reichsverfassung ein Recht gegeben ist. Beide Aus- 
drücke in der Ausfertigung nebeneinander aufzunehmen, 
wäre andererseits vernünftiger Weise ebenso unmöglich, 
als die Vermeidung beider und die Anwendung eines 
dritten, vielleicht in der Mitte zwischen beiden stehenden 
Ausdrucks willkürlich und, wie gesagt, unberechtigt. 
Denn es ist unbestritten, dass zur Feststellung des 
Gesetzestextes lediglich Bundesrat und Reichstag berufen 
sind. Es bleibt sonach dem Kaiser in der Tat nichts 
anderes übrig, als selbst bei der kleinsten Abweichung 
der beiden Beschlüsse von einander die Vollziehung der 
Ausfertigung zu verweigern und dem Bundesrate bezw. 
dem Reichstage Gelegenheit zu geben, seinen Beschluss 
analog dem der anderen Versammlung abzuändern. Und 
zwar dürfte in einem solchen Falle die Weigerung des 
Kaisers sowohl sein Recht wie seine Pflicht sein. 
Des weiteren wird der Kaiser auf die Beschlüsse des 
Bundesrates und des Reichstages im einzelnen eingehen 
müssen, und untersuchen, ob jeder dieser Beschlüsse den 
in der Verfassung gegebenen Vorschriften entspricht, 
nicht aber, ob die Bestimmungen der beiderseitigen Ge- 
schäftsordnungen rite innegehalten sind. Und zwar m.E. 
aus folgenden Gründen: Abgesehen davon, dass hinsichtlich 
des Reichstages in Art. 27 Satz 2 R.-V. mit dürren Worten 
gesagt ist, dass die Regelung seines Geschäftsganges und 
seiner Disziplin durch eine Geschäftsordnung allein und 
ausschliesslich dem Reichstage selbst überlassen ist, dürfte für 
den Bundesrat aus dem Umstande, dass, wie sich Brie') 
ausdrückt, „die Befugnis jeder Kammer?) ihre Beschluss- 
1) Brie i. Arch. IV. S. 59. 
2) „Eine annaloge Ausdehnung auf den Bundesrat erscheint als 
unbedenklich“ (Anm. 192 a. a. O.).
	        
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