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Irrtum unterlaufen und etwas als beschlossen festgestellt
werden, was gar nicht beschlossen ist“'). Schliesslich sind
bei der Verkündigung selbst Fehler durch unrichtigen
Abdruck — also Druckfehler — vorgekommen.
Was nun die Frage betrifft, ob das unrichtig als Ge-
setz Publizierte verbindlich ist, so ergeben sich zwei
Möglichkeiten, diese Frage zu beantworten. Entweder
man bejaht sie und lässt dabei unberücksichtigt, dass der
Wille des Gesetzgebers von dem Publizierten abweicht,
oder man verneint sie und legt lediglich auf den Willen
des Gesetzgebers Gewicht ohne Rücksicht auf das tat-
sächlich Publizierte..e Eine dritte Möglichkeit ist ausge-
schlossen. Mit Recht führt m. E. Lindemann’) aus:
„Wollte man weder die publizierte Gesetzesbestimmung ..
noch die gewollte Gesetzesbestimmung gelten lassen, so
würde eine Reihe von Gesetzeslücken und die bedenk-
lichste Rechtsunsicherheit entstehen“. Ein Weg muss
also beschritten werden. Und da ist es denn wohl nur
logisch, das unrichtig Publizierte als unverbindlich und
das tatsächlich vom Gesetzgeber Gewollte als massgebend
anzusehen. Ist es doch sehr wohl denkbar, dass die
praktische Anwendung eines fehlerhaft publizierten Rechts-
satzes unmöglich ist. In der Tat hat auch das ehemalige
Königlich Preussische Obertribunal in einer Entscheidung
vom 17. November 1871?) diesen Weg für zulässig erklärt,
und auch Sontag‘) hat sich u. a. dafür ausgesprochen.
Häufig ist nun allerdings nur schwer oder überhaupt
nicht festzustellen, welches der eigentliche Wille des Ge-
setzgebers ist. Denn sowohl der einzelne wie auch die
Gerichte dürften nur selten in der Lage sein, einen Ein-
blick in die Einzelheiten des Gesetzgebungsvorganges zu
tun. Es bedarf somit einer amtlichen Berichtigung der
Redaktionsversehen.
1) Lindemann, Berichtigung der in verkündeten Gesetzen ent-
haltenen Redaktionsversehen i. Arch. f. öf. R. Bd. XIV. S. 148.
2) a.a. 0. S. 16].
3) Goltdammer, Archiv f. preuss. u. deutsch. Strafr. Bd. XIX.
S. 804 ff.
4) Sontag, Redaktionsversehen des Gesetzgebers S. 10 Nr. 3.