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sich tributpflichtig zu machen versteht, sägt überhaupt an dem Ast, auf
dem sie sitzt und treibt mit der Zeit unrettbar der Verstaatlichung in
die Arme.
Solange der sogenannte Staatssozialismus noch eine den Fort-
schritt hemmende Einrichtung ist, solange ist auch noch eine freie Ver-
mittlung zwischen Produzent und Konsument notwendig, d. h. solange
hat auch der reelle Handel noch seine Berechtigung, derselbe macht sich
auch dadurch verdient, daß er befruchtend und ermunternd auf die Pro-
duktion wirkt. Außerdem hat er auch die sehr wichtige Aufgabe, den
internationalen Ausgleich der Produkte zu vermitteln. Da bei letzterem
oft große Werte in Frage kommen, und da hierbei die Freiheit der
Initiative des Einzelnen notwendig ist, so ist auch hier eine Stelle, an
der der Großkapitalist noch am Platze ist.
Angesichts der Tatsache, daß der entwicklungsgeschichtliche Ma-
terialismus noch einen langen Weg vor sich hat, um zum Ziel zu kom-
men und angesichts der verwickelten nationalen und politischen Ver-
hältnisse und der notwendigen Bildungs= und Besitzunterschiede muß
das Volk eine führende Klasse haben. Diese kann nach den Anforde-
rungen, die an sie gestellt werden müssen, in Deutschland aber nur der
akademisch gebildete Teil der Bevölkerung sein. Einmal hat sich diese
Klasse bereits selbst einen Ehrenkodex gegeben, der abgesehen von
einigen Auswüchsen im wesentlichen doch dahin wirken soll, daß die
Mitglieder nicht nur besser scheinen, sondern auch sein wollen. Wenn
ihnen in dieser Beziehung auch Kreise anderer Berufe ebenbürtig
sind, so haben sie doch anderseits auch eine Vorbildung voraus, die sie
qualifiziert, sich eine Weltanschauung zu verschaffen, die auf philosophi-
schem Boden gegründet ist, zumal sie in der Religion nicht mehr fest-
wurzeln.
Wenn heute der eine oder andere den christlichen Glauben so
umgedeutet hat, daß er seinen metaphysischen Ansprüchen gerecht wird,
so mag dieses seinen eigenen Bedürfnissen genügen: es mag auch in
einzelnen Fällen als Beispiel wirken; es genügt aber nicht für die
geistige Führung eines Volkes, das den unsicheren Hafen des Christen-
tums verlassen hat und einen sicheren Ankergrund für eine solche neue
Weltanschauung sucht, die ohne Widersprüche für die naturnotwendigen
Geschehnisse des gesellschaftlichen Lebens ist.
Eine solche Weltanschauung bietet aber allein unser Materialis-
mus, der, wie wir gesehen haben, sich nicht anmaßt, die Welt zu be-
kritteln und zu verbessern, sondern der sich begnügt, sie zu ergründen
und daraus die Nutzanwendung für die Zukunft zu sichern. Das
Einzige, das ihn vielleicht verdächtig machen kann, das ist seine Ein-
fachheit und leichte Verständlichkeit, bei der es nur ein „entweder oder“