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Philon annehmen konnten; da sie ferner aber nach der Offenbarung eine
Göttlichkeit Jesu in dem Sinne angenommen haben, daß dieser als der
alleinige Sohn Gottes der Mensch-gewordene Logos sei, so mußten sie,
um der Offenbarung und der griechischen Philosophie gerecht zu werden,
folgerichtig zu einer mehrfachen Außerung der Einheit Gottes kommen.
Das von Jesu unabhängige vernünftige Walten in der Welt, haben sie
als dritte Außerung der Einheit Gottes und zwar als den heiligen
Geist angesehen.
Mit dieser Lehre, bei der die Kühnheit des Denkens nur durch die
Spitzfindigkeit der Spekulation übertroffen wird, haben jene alten Väter
das Christentum sicher etwas gewaltsam mit der Ideenlehre des Platon,
auf die ich an anderer Stelle noch näher eingehe, in Anpassung gebracht
und hierdurch für die Folge den Grund zur christlichen Dogmatik gelegt.
Obwohl die Dreieinigkeit Gottes für den Monotheismus des
Christentums gewissermaßen schon an sich eine contradictio in adjecto
bedeutet und recht unwissenschaftlich aussieht, so darf man nicht ver-
kennen, daß sie im Gegenteil ein ernster Versuch ist, die naive christliche
Metaphysik dem kritischen wissenschaftlichen Denken näher zu bringen
und da derzeitig die philosophische Spekulation, die sich auf Platon und
Aristoteles stützte, durch naturwissenschaftliche Erkenntnis ebensowenig
getrübt war als heute umgekehrt die naturwissenschaftliche Spekulation
durch philosophische Erkenntnis, so kann man es immerhin verstehen,
daß die Dreieinigkeitslehre den wissenschaftlichen Ansprüchen jener Zeit
gerecht werden konnte, wenn auch, ihrer hypothetischen Natur ent-
sprechend nicht ausbleiben konnte, daß auch sie in der Folge mehrfach
der Grund zu Lehrstreitigkeiten wurde. .
Nach den Apologeten sind es besonders die Antignostiker Irenäus
und Tertullianus und die Alexandriner Clemens und Origenes ge-
wesen, die die Entwicklung des Christentums nicht unwesentlich beein-
flußt haben. Die Bedeutung der ersten beiden hat aber, wie schon ihre
Bezeichnung sagt, in der Bekämpfung der Gnostiker und mit denselben
derjenigen der philosophischen Spekulation überhaupt gelegen. Ander-
seits sind sie es gewesen, die neben dem christlichen Gesetz auch die
Tradition zur Geltung gebracht haben, wodurch sie die weiteren Be-
gründer der christlichen Dogmatik geworden sind.
Irenäus hat das mosaische Gesetz als Vorstufe des Christentums
betrachtet und an der Identität des mosaischen Gottes mit dem
christlichen sestgehalten. Nach ihm sind der Sohn und der heilige
Geist mit Gott dem Vater eins und Werkzeuge der Schöpfung
und Offenbarung. Jesus hat das Sittengesetz nicht nur bestätigt,
sondern die Erfüllung auch von der Gesinnung und nicht von den
äußeren Gebräuchen abhängig gemacht. Der Mensch hat dabei die