Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

Das LDenische Reith und seine einzelnen Glieder. (März 5.) 45 
an eine Verringerung derselben sei in absehbarer Zeit nicht zu denken, und 
die Zeit sei für immer dahin, in der 2 Kanonenboote („Iltis“ und „Wolf") 
zum Schutze unserer Interessen genügten. Zwar sei der Friede zwischen 
China und Japan geschlossen, aber die Dinge seien noch im Werden, und 
die Frage der Erschließung des großen chinesischen Reiches sei noch offen. 
Welches Interesse dabei alle Staaten hätten, ergebe sich daraus, daß alle 
dort zahlreiche Schiffe hätten, vier= oder fünfmal so viel als das Reich, 
das selbst dort nur sechs Schiffe habe. Während des chinefisch-japanischen 
Krieges habe unser Geschwader zwar nicht eingegriffen, aber gerade dies sei 
ein Beweis, wie nützlich seine bloße Anwesenheit gewesen sei. Die Befürch- 
tungen unserer Angehörigen und Missionare in China während des Krieges 
seien sehr große gewesen; dem Geschwader ist es zuzuschreiben, daß sie sich 
nicht verwirklichten. In einem Fall, wo ein Angriff auf eine Mission 
erfolgte, sei Remedur gewährt worden. Dem Geschwader haben wir es zu- 
zuschreiben, wenn China eine Reihe von Forderungen, die wir seit Jahren 
fruchtlos betrieben hatten, nunmehr erteilt habe; es stehe zu erwarten, daß 
weitere Forderungen zum Schuze unserer Interessen erfüllt werden würden. 
Die Unzulänglichkeit unserer Marine mache sich auch im Mittelmeer fühl- 
bar. Hier hätten wir zwar keine direkten politischen Interessen, aber ange- 
sichts der Verhältnisse in Kleinasien im vorigen Jahr sei es doch bedauer- 
lich gewesen, daß wir keine Kreuzer hatten, um unsere dortigen in schwere 
Sorge versetzten Landsleute zu beruhigen. Daß das anwesend gewesene 
Schulschiff „Moltke“ zu einem eigentlichen Schutz ungeeignet sei, bedürfe 
keiner Ausführung. Was endlich die Kolonien betrifft, so handele es sich 
hier nicht um den Schutz gegen etwaige Angriffe einer Seemacht im Falle 
eines Krieges mit uns. Es sei dies eine militärpolitische Frage, die wohl 
anderwärts als lokal entschieden werde. Hier handele es sich eigentlich nur 
um den Schutz unserer Autorität gegen Eingeborene. Dieser sei sehr mangel- 
haft. In der Südsee hatten wir zwei Kreuzer vierter Klasse („Falke"“ und 
„Bufsard“"“) mit je 159 Mann Besatzung und einem Landungskorps von 44 
bis 50 Mann. Beide hätten unsere Interessen in Samoa, Tonga, Hawaii, 
Marschalls-Inseln und Deutsch-Neu-Guinea zu schützen. Angesichts der 
unruhigen Zustände in Samoa müsse dort dauernd ein Schiff liegen und, 
wenn die Unruhen thatsächlich ausbrechen, alle beide. Dadurch entständen 
oft unhaltbare Zustände in Neu-Guinea. Eine Zeitlang mußte man Mord 
und Raub durch Eingeborene aus Mangel an Kriegsschiffen ohne Bestrafung 
lassen und im vorigen Jahre erwogen bereits die Interessenten, ob sie nicht 
wegen dieser Unsicherheit einen Teil der Station eingehen lassen sollten. 
Ueberdies wären dort bedeutende Missionsinteressen in Frage. In West- 
afrika hätten wir ein Kanonenbot und einen Kreuzer, von denen abwech- 
selnd immer ein Schiff in Kapstadt Erholung suchen müsse. Für die ge- 
samte Westküste mit unseren drei Kolonien, für unseren sonstigen bedeutenden 
Handel, wie in Liberia und anderen Küstengebieten, stände also nur ein 
Kriegsschiff zur Verfügung. Ohne maritimen Schutz müßten wir die 
Schutztruppen beträchtlich vermehren, und wir würden dabei doch nicht 
eine so zuverlässige Macht als in dem Kreuzer besitzen. In Ostafrika seien 
zwei Kreuzer zur Verfügung, von denen der eine schon Jahr und Tag in 
Delagoa Bay liege und schwerlich von dort werde zurückgezogen werden 
können. Also bleibe nur Ein Kreuzer für die ganze Küste von 700 Kilo- 
metern übrig. Seien auch jetzt die Zustände auf dem Festlande friedlich, 
so sei doch große Gefahr vorhanden, wenn größere Expeditionen der Schutz- 
truppe ins Innere gemacht werden müßten. Hiernach sei es nochmals ge- 
sagt, daß unsere Kreuzerflotte nicht genügt, um unsere überseeischen In- 
teressen in dem Rahmen ihrer vollen Berechtigung zu schützen. Es sei also
	        
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