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XII.
Die bayerischen Anordnungen gründen sich bekanntlich auf
die entschiedene Voraussetzung, daß die asiatische Brechruhr als
contagiös im Sinne der Pest und anderer per Contactum
sich vererbenden Krankheiten nicht zu betrachten sei, und die
Summe aller bisherigen Erfahrungen, namentlich das seltene
Erkranken der in die Krankenatmosphäre so vielfach gebannten
Aerzte und Priester, dann das Gesundbleiben beinahe aller
jener Wärter und Wärterinnen, welche keinen Eckel kannten
und dem ärztlichen Rathe folgend, durch Vermeidung ununter-
brochener Nachtwachen und durch nahrhafte Kost der Depression
(gesteigerten Prädisposition) ihres Körpers vorbeugten, spricht
dieser Königl. Annahme unbedingt das Wort.
Gleichzeitig aber ist Seiner Königl. Majestät die Mög-
lichkeit eines verstärkten oder specifiken Miasmas, namentlich
bezüglich der mehrere Kranke umschließenden Lokalitäten, dann
der Einfluß nicht entgangen, den jede verdorbene Luft, sonach
auch die verdorbene Luft eines Krankenzimmers auf prädisponirte
oder deprimirte Körper üben kann.
Aus diesem Gesichtspunkte wurde bereits durch Ziffer 4.
der Instruktivausschreibung vom 10. September 1836 stete
Reinigung der Krankenzimmer, das häufige Vornehmen Luft
reinigender Räucherungen, dann die Neutralisirung der Excre-
mente und Auswürfe, als eine der ersten und unerläßlichsten
Aufgaben ärztlicher und sanitätspolizeilicher Wirksamkeit be-
zeichnet. — Und auch die Weisheit dieses Königl. Befehls hat
sich im vollen Maße erprobt, indem von den beinahe in jedem
Hause eingetretenen mehrfachen Erkrankungen wohl manche aus
der Vernachläßigung häuslicher Pflege, oder aus physischen
Eindrücken erklärt werden konnten, andere aber beinahe deutlich
auf den Umstand hinzudeuten schienen, daß verdorbene Luft
jeder Art während der Brechruhrepidemie vorzugsweise nach-
theilig auf den menschlichen Organismus wirkt, und daß zu
einer Zeit, in welcher die Störung des Normal-Gesundheits-
zustandes mehr oder minder zu dem herrschenden Krankheits-
genius (Brechruhrcharakter) sich hinneigt, das Einathmen einer
nicht contagiösen, aber sonst corrupten Luft, die in allen Körpern
mehr oder minder vorwaltende Choleradisposition sehr häufig
zur wirklichen Cholera auszubilden pflegt.
Jedenfalls ist die Frage über bedingte Mittheilbarkeit oder