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Gesetze dadurch zum Ausdruck, daß es selbst ‚„außerordent-
liche Einnahmen (!) durch Erbschaften und ähnliche Erwerbun-
gen“ nicht als „steuerpflichtiges Einkommen, sondern als Ver-
mehrungen des Stammvermögens“ bezeichnet (8 15, Ziff. 2).
Sehr bemerkenswert ist, daß, wie in allen Einkommen-
steuergesetzen der deutschen Staaten, auch nach dem sächsi-
schen Gesetze der Wert der Wohnung im eigenen Hause
als steuerpflichtiges Einkommen angesehen wird.!) Nach dem
allgemeinen wie nach dem wissenschaftlichen Sprachgebrauch
aber ist der Wert des Wohnens im eigenen Hause gerade so
wenig Bestandteil des Einkommens, als man zu seinem Einkom-
men rechnet, wenn man z. B. seine eigenen Stiefel benutzt.
Wenn nun in den Steuergesetzen der Wert der Nutzung an
eigener Wohnung als Einkommen behandelt wird, so erklärt
sich das nur aus finanzpolitischen Gründen. Denn mit Rück-
sicht auf die Besteuerung der nicht im eigenen Hause Wohnen-
den nach ihrem gesamten Einkommen wäre es diesen gegen-
über unbillig, wenn man die im eigenen Hause Wohnenden
allein nach ihrem Einkommen (also ohne Veranschlagung des
Mietwerts) und nicht auch nach den aus solchem freien Wohnen
für sie hervorgehenden Ausgabenersparnissen belastete. So
ist man denn dazu gelangt, den Mietwert solcher Wohnung
in Geld zu veranschlagen und die so gewonnene Summe dem
Einkommen zuzurechnen.
Wie man sich indessen zu jener Veranschlagung des Miet-
werts im eigenen Hause entschieden hat, so dürfte auch der
umgekehrte Weg, nämlich vom Mietwerte abzusehen und gleich-
zeitig den Abzug gezahlter Mietzinsen vom Einkommen zu ge-
statten, einer sorgfältigen Erwägung zu unterziehen sein. Und
in der Tat scheint denn dieser letztere Weg den Vorzug zu ver-
dienen vor jenem in der Steuerpraxis befolgten. Einmal ist näm-
lich zu beachten, daß er sehr schwierig, mitunter geradezu un-
möglich ist, den Mietwert der vom Eigentümer selbst bewohnten
Gebäude festzustellen (man denke nur an die Feststellung des
Mietwerts einer Bauernwohnung usw.), und daß hierbei nur
ı) Vgl. H. Köppe, Der Wert der \Wohnung im eigenen Hause vom
Standpunkte der Einkommensbesteuerung, im Fin.-Arch. 1903, 2. Bd. S. 26 ff.
— Der Genannte hat eine eigenartige Auffassung von Einkommen, die nicht
gerade viel Anerkennung in der Wissenschaft finden möchte. Er kommt
nämlich zu folgendem Ergebnis (S. 38 a. a. O.): „Wo wir also kapitalmäßig
investiertes Verbrauchsvermögen finden, sei es nun durch Rücklagen aus
Jahreserträgnissen, sei es aus Umwandlung von Erwerbs- in Verbrauchs-
vermögen, da sehen wir zugleich auch die bestimmungsgemäße Verwendung
desselben zu Einkommen werden, d. h. in den Kreis der wirtschaftlichen
Güter eintreten, welche der Befriedigung materiellen Bedarfs dienen. Was
an Gütern solcher Art und Bestimmung dem Vermögen einer Person zu-
wächst, wird, in dem Rahmen einer bestimmten Wirtschaftsperiode gefaßt.
zum Einkommen derselben und als solches steuerpflichtig. In diesem Zu-
sammenhange wird der \Vert der Wohnung im eigenen Hause daher Teil
des steuerpflichtigen Einkommens.“