Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

358 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
Journal. 
Kissingen, 19. Juni 1885. 
Heute Mittag kam ich hier an. Um ¾6 Uhr fuhr ich nach der 
Saline, wo Fürst und Fürstin Bismarck wohnen. Ich fand den 
Fürsten sehr munter. Er klagte nur über Gesichtsschmerz, rühmte aber, 
daß er wieder viel gehen könne, und sieht gut aus. Von dem Kaiser 
sagte er, daß es ihm besser gehe, daß er gern in Babelsberg bleiben 
würde, daß aber die Kaiserin und die Großherzogin für Ems sprechen, 
was ihm zuwider sei. Dann war von Braunschweig 1) die Rede und von 
der Ernennung von Reuß zum Herzog. Der Fürst sagte, dies sei Unsinn. 
Wenn man nicht die Söhne des Herzogs von Cumberland unter einer 
guten, sicheren Vormundschaft einsetzen wolle, so läge es doch näher, einen 
preußischen Prinzen, etwa den Prinzen Heinrich oder Prinz Albrecht, zum 
Herzog von Braunschweig zu machen. Nach Tisch kam auch die Rede auf 
den Statthalter von Elsaß-Lothringen, :) und Bismarck sagte, es seien da 
viele Kandidaten: Reuß VII., Prinz Albrecht, Hermann Langenburg, 
Henckel, Roggenbach, Albedyll, Schweinitz u. a. Gegen jeden sei etwas 
einzuwenden, und dann setzte er hinzu: „Hätten Sie nicht Lust?“ Ich 
sagte: „O ja, aber es ist eine Schwierigkeit, daß ich keine Militäruniform 
trage.“ Bill meinte, dem könnte ja abgeholfen werden, aber Bismarck 
sagte: „Sie können ja auch die Botschafteruniform tragen, die wird den 
Franzosen gefallen, denn sie sieht französisch aus.“ Es schien mir nach 
allem, daß er mich für den geeignetsten hält. Er weiß aber nicht, was 
der Kaiser beschließen wird. Dann kamen wir auf das englische Ministerium. 
Bismarck sagte, die Tories müßten es eigentlich nach ihren Reden zum 
Kriege treiben. Der Krieg wäre kein Unglück für uns. Wir könnten 
nur dabei gewinnen, wenn Rußland Beschäftigung habe und dadurch von 
seinen Gedanken gegen Oesterreich abgezogen werde. Bismarck glaubt nicht, 
daß die Türken den Engländern eine Armee zur Verfügung stellen würden, 
aber die Dardanellen werden sie öffnen. Daß die Franzosen sehr erschreckt 
werden würden, wenn der Krieg zwischen England und Rußland ausbräche, 
amüsierte ihn; sie glaubten, daß wir dann über sie herfallen würden, das 
wäre aber sehr töricht von uns. Er glaubt, daß die Franzosen immer 
mehr der Anarchie zutreiben und mit einer Monarchie enden werden, das 
brauche aber kein Bonaparte oder Orleans, das könne auch ein Monsieur 
Paturot oder dergleichen sein. Im ganzen war die Unterhaltung besriedigend 
in Ton und Inhalt. 
  
1) Wo Prinz Albrecht von Preußen am 21. Oktober 1884 zum Regenten ge- 
wählt war. 
2) Feldmarschall Freiherr von Manteuffel war am 17. Juni in Karlsbad 
gestorben.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.