Amtsverbrechen. 97
in Silbergeld zu erlegen war, findet sich heute in Preußen — und dasselbe gilt
für das Deutsche Reich — die Bestimmung, daß die A. durch Verpfändung von
auf den Inhaber lautenden Obligationen über Schulden des Staats oder des
Deutschen Reiches nach deren Neunwerthe zu leisten ist. Die Verpfändung selbst
geschieht durch Uebergabe zum Faustpfande, jedoch werden dem Kautionsbesteller
die Zinsscheine für einen gewissen Zeitraum (z. B. 4 Jahre) belassen bzw. nach
Ablauf desselben oder nach Ausreichung neuer Zinsscheine verabfolgt. Die A. find
bei denjenigen Behörden, welche dazu bestimmt sind, niederzulegen und von diesen
aufzubewahren; sie haften für alle von den betreffenden Beamten aus ihrer Amts-
führung zu vertretenden Schäden und Mängel an Kapital und Zinsen sowie an
gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Ermittlung des Schadens. Die A.
wird frei, d. h. ganz oder theilweise zurückgegeben, wenn das Dienstverhältniß be-
endigt ist und der betreffende Beamte keinen Schaden oder wenigstens nicht in der
Höhe der bestellten A. zu vertreten hat.
SGsgb. u. Lit.: B.-Ges. vom 2. Juni 1869, betr. die Kautionen der Bundesbeamten (gilt
für das Deutsche Reich), und Preuß. Ges. vom 25. März 1873, betr. die K. der Staatsbeamten
(kast völlig übereinstimmend mit den R.-Ges.). — v. Rönne, Preuß. Staats-R., Bod. II,
Abth. 1, S. 417 ff. — Laband, Staats-R. des Deutschen Reiches, Bd. 1 (1876), S. 410 ff. —
v. Rönne, Staats-R. des Deutschen Reiches (2. Aufl.), Bd. I (1876), S. 350 ff. — G.
Meyer, Lehrb. des Deutschen Staats-R. (1878), S. 367. Dochow.
Amtsverbrechen (Th. I. S. 748. 869 ff.) im eigentlichen Sinne ist die krimi-
nell strafbare Verletzung einer besonderen Amtspflicht durch einen Beamten. Die
A. können bald von jedem Beamten (allgemeine A.), bald nur von solchen einer
bestimmten Art, z. B. der Polizei, der Rechtspflege (besondere A.), verübt werden.
Schlechthin jede Pflichtverletzung des Beamten fällt zunächst als Amtsordnungs-
widrigkeit der korrektiven Oberaufsicht (Disziplinargewalt) des Staates, ausgeübt
durch die übergeordnete Verwaltungsstelle, anheim; nur die gefährlicheren derselben
werden überdies noch in den Bereich des öffentlichen Strafrechts gezogen. So
unterscheiden sich Amtsdelikte und Disziplinarvergehen nicht grundsätzlich, sondern
a) nach dem strafenden Organ: dort die Strafhoheit, hier die Aufsichtshoheit des
Staates; b) nach den Mitteln und Zwecken der Strafe: dort die im Straf GB.
normirten öffentlichen Strafen zur Sühne der gebrochenen Rechtsordnung, hier Ord-
nungsstrafen zur Sicherung und Reinhaltung des Staatsdienerverhältnisses; c) nach
der Begrenzung, die dort, nicht hier, scharf und ausdrücklich durch Gesetz gezogen
sein muß. Je weiter ein positives Recht seine Disziplinarstrafmittel ausdehnt,
desto enger begrenzt es den Kreis der öffentlichen Strafbarkeit, also der Amts-
delikte. So nach dem Vorbilde des C. p. schon das Preuß. Straf GB., noch mehr
das Oesterr. und Sächs., nunmehr auch das Deutsche; während früherhin die ent-
gegengesetzte Tendenz vorherrschte. Durch strafrechtliche Verfolgung eines Amts-
delikts, für welche jedoch schon nach der Preuß. Verf. Urkunde die vorgängige Ge-
nehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde nicht erforderlich ist (anders der C. p.),
wird die disziplinäre Kognition nur einstweilen gehemmt, nicht aber ausgeschlossen.
In uneigentlichem Sinne befaßt man unter A. außer den obengenannten auch 1)
an sich gemeine Verbrechen oder Vergehen, im konkreten Falle mit Hülfe eines
Amtsmißbrauchs begangen, z. B. Unterschlagung amtlich erhobener Gelder, 2) ge-
mischte Delikte, bei welchen nothwendiger= oder zufälligerweise außer einem Beamten
auch ein Nichtbeamter betheiligt ist, z. B. Bestechung, Amtserschleichung. Nach
Begriff und Umfang ist das A. so eng verwachsen mit der Verfassung eines jeden
Staates und mit Zeitanschauungen, daß nicht blos die Bestimmungen des Röm. R.
über crimen repetundarum, residui etc., sondern auch die höchst dürftigen Normen
der Peinl. Ger. O. und anderer Reichsgesetze heute wenig brauchbar erscheinen. Unsere
Gesetzgebung aber krankt vor Allem noch an Unklarheit über den Begriff des Be-
amten oder Staatsdieners. Folgerichtig wäre es, unter den in besonderen, theils
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon I. 3. Aufl. 7