Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

104 Anerkennungsvertrag. 
sowol die Ansicht Derer, welche in der Anerkennung immer nur die schwächere 
Wirkung eines Beweisvertrags, wie die Ansicht Derer, welcher derselben immer die 
stärkere Wirkung des konstitutiven A. beilegen, nicht zu billigen. Damit ist aber 
für die praktische Jurisprudenz die Frage nicht gelöst, ob der Anerkennung im 
Zweifel die eine oder die andere Bedeutung zukomme. 
Mit folgender Unterscheidung dürfte man zu brauchbaren Refultaten gelangen. 
Ist Gegenstand der Anerkennung eine reine Thatsache, so wird im Zweifel ein Be- 
weisvertrag mit der bezeichneten schwächeren Wirkung anzunehmen sein. Z. B. der 
einziehende Miether anerkennt dem Vermiether gegenüber, daß die sämmtlichen Fen- 
ster der Wohnung unbeschädigt sind. Man wird, falls nicht ganz besondere Um- 
stände dafür sprechen, nicht annehmen dürfen, daß eine Verpflichtung, die anerkannte 
Thatsache überhaupt nicht zu bestreiten, gewollt ist, weil man über reine That- 
sachen außerhalb des Prozesses nicht zu disponiren pflegt. Doch ist die weitergehende 
vertragsmäßige Disposition über die Wahrheit oder Unwahrheit von Thatsachen 
durch acceptirtes außergerichtliches Geständniß juristisch in dem gleichen Umfang 
möglich, wie sie im Prozesse durch gerichtliches Geständniß möglich ist. Ist Gegen- 
stand der Anerkennung das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechtsverhältnissen oder 
Ansprüchen, so ist. vorausgesetzt, daß es sich um Rechtsverhältnisse handelt, welche 
der Parteidispofition überhaupt unterliegen — und dazu gehören alle vermögens- 
rechtlichen Verhältnisse —, im Zweifel die stärkere Wirkung des eigentlichen A. als 
gewollt anzunehmen. Die Rechtfertigung dafür liegt in der Erwägung, daß Rechts- 
verhältnisse und Ansprüche wenigstens nicht direkt Gegenstand prozessualischen Be- 
weises sind, und daß daher, um zum Beweisvertrage zu gelangen, eine Umsetzung 
der Parteierklärung in das Thatsächliche in die Mitte geschoben werden muß. Un- 
möglich ist aber die Annahme eines Beweisvertrags auch hier nicht. 
Als spezielle Erscheinungsformen des auf Feststellung des Bestehens oder Nicht- 
bestehens von Rechtsverhältnissen und Ansprüchen gerichteten A. sind zu nennen: 
1. Der Schuldanerkennungsvertrag (Schuldbekenntniß). Tritt der- 
selbe in der übrigens nicht wesentlichen Form der Schrift auf, so spricht man von 
Ausstellung eines Schuldscheins. Das Schuldbekenntniß wird von Manchen mit 
dem Schuldversprechen identifizirt. Mit Unrecht. Denn wenn auch Schuldbekennt- 
niß und Schuldversprechen im Verkehre häufig kombinirt auftreten, so ist doch er- 
ster#s ohne letzteres möglich. Im Geben eines Schuldscheines kann, aber muß 
nicht, ein Zahlungsversprechen liegen. Die Schuldanerkennung steht unter den all- 
gemeinen Regeln des A.; bewirkt also, daß der Anerkennende das Bestehen der 
Schuld nicht bestreiten darf, solange der A. nicht befeitigt ist. Für die Schuld- 
anerkennung entsteht aber die weitere Streitfrage, ob dieselbe die bezeichnete Wir- 
kung hat, wenn sie den Schuldgrund — die causa obligationis — genau bezeichnet, 
oder auch, wenn sie die causa nicht oder nicht genau ersehen läßt. Für die 
Stellung zu dieser Kontroverse ist die Vorfrage bedeutsam, ob man sog. reine, d. i. 
von der causa losgelöste Verträge, wie die römische Stipulation einer war, der 
Wechselvertrag des heutigen R. einer ist, ohne Form des Vertrags für gültig und 
zur Begründung einer Klage ausreichend hält. Wer die Vorfrage verneint — 
(vgl. darüber Windscheid, Pand., II. § 318 Nr. 3, 4; § 364) — muß konse- 
quenter Weise auch dem die causa nicht erwähnenden A. die angegebene Wirkung 
absprechen. Denn wenn Versprechen ohne Angabe des Bestimmungsgrundes nicht 
zur Begründung einer Klage hinreicht, so kann auch der A. das Erforderniß der 
Angabe des Bestimmungsgrundes nicht beseitigen; das Erforderniß der Angabe des 
Bestimmungsgrundes ist, wenn es besteht, publici iuris. Wer dagegen reine, vom 
Bestimmungsgrund losgelöste Verträge als wirksam anerkennt, wird geneigt sein, 
anzunehmen, daß der A. eine beliebige Obligation von ihrem Bestimmungsgrunde 
loslösen und zu einer abstrakten Obligation machen kann. Dieser Annahme be- 
reiten zwei Stellen der justinianischen Gesetzgebung, 1. 25 § 4 D. de prob. 22, 3 
 
	        
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