148 Armengesetzgebung.
in den Reichs= und Landespolizeiordnungen öfter wiederholt. Manche Landes-
gesetze enthalten auch angemessene Vorschriften über die Bildung eines Kollegiums
von Armenpflegern aus der geistlichen und weltlichen Obrigkeit und geeigneten
Mitgliedern.
Das Haupthinderniß der Entwicklung blieb der Mangel einer geregelten
Aufbringung der Armenlasten. Ein System rationeller Steuern, welches
sich in der Zersplitterung Deutschlands so unendlich schwer entwickelte, konnte noch
viel weniger für Humanitätszwecke zur Ausführung kommen. Erst im 18. Jahrh.
beginnt ein neuer Anlauf zur Beschaffung ansehnlicherer Mittel in vielen Einzel-
staaten. Die Einrichtungen Joseph's II. für Oesterreich gehören zu denen, welche
sich in dauernd gutem Andenken erhalten haben.
In Preußen erging als das erste umfassende Gesetz ein Edikt vom 28. April
1748. Zu einem Abschluß gelangte die auf das System der geschlossenen Stadt-
kommunen, Gutsbezirke und Landgemeinden basirte Armenpflege in dem A. LR.
II. 19. Verpflichtet zur Unterhaltung sollte die Stadt= und Dorsfgemeinde für
die ausdrücklich in den Gemeindeverband ausgenommenen Mitglieder sein, event.
die Gemeinde, in welcher der Verarmte zuletzt zu den gemeinen Lasten beigetragen
hat. Die Einzelheiten blieben den Provinzialgesetzen und Reglements überlassen.
Die Biegsamkeit des daraus hervorgehenden Verwaltungssystems wurde zur
Wohlthat, seitdem in Folge der Agrar-, Gewerbe= und Freizügigkeits-
Gesetzgebungen die gewaltige Umbildung der Gesellschaft allmählich in Fluß
kam. Die Stellung der Landrathsämter und Regierungen vermochte ungefähr mit
den veränderten Bedürfnissen Schritt zu halten. Die Regulative der Central-
verwaltung schufen allmählich eine gewisse Uebereinstimmung des Systems. Preußen
blieb dadurch bewahrt vor den monströsen Auswüchsen der Armenverwaltung,
welche die Entwicklung der industriellen Gesellschaft in anderen Länbern bezeichnen.
Im Laufe eines Menschenalters waren die Grundsätze dieser Verwaltung so gereift,
um in den beiden Gesetzen vom 31. Dezbr. 1842 eine überaus tüchtige Grundlage
zu erhalten.
Für das Armenniederlassungsrecht werden drei Titel anerkannt:
1) durch ausdrückliche Aufnahme als Mitglied der Gemeinde, wie solche bisher in
den Städten stattfand; 2) durch Erwerb eines Wohnsitzes nach Maßgabe des Ges.
vom 31. Dezbr. 1842 § 8; dies sog. Armendomizil ist durch eine Meldung bei
der Polizeibehörde bedingt und wird perfekt, wenn der Neuanziehende den Wohnsitz
ein Jahr lang fortgesetzt hat, ohne der öffentlichen Unterstützung zu bedürfen;
3) durch dreijährigen Aufenthalt ohne jene Vorbedingungen; ebenso wie um-
gekehrt das Armendomizil durch dreijährige Abwesenheit verloren geht. Der Grund-
satz der Freizügigkeit ist dadurch mit dem Grundsatz der Dezentralisation der Ge-
meindearmenlasten nach Möglichkeit in Einklang gebracht.
Die ordentliche Armenpflege nach diesem Haftungsgrundsatz liegt den einzelnen
Stadtgemeinden, Landgemeinden und Gutsbezirken ob. Isolirte Einzelbesitzungen
sollen „nach Anordnung der Landespolizeibehörde“ mit einer Gemeinde vereinigt
werden. Die Kommunalarmenpflicht erstreckt sich auf Ehefrauen, Wittwen und
Kinder. Für Dienstboten, Gewerbsgehülfen, Gesellen, Lehrlinge ist im Falle der
Erkrankung der Armenverband des Dienstortes auf drei Monate unterstützungs-
pflichtig. In Ermanglung eines verpflichteten Ortsverbandes tritt der Land-
armenverband ein, welcher auch unvermögenden Gemeinden die erforderliche
Beihülfe zu leisten hat. Den Landarmenverband bilden meistens ganze Provinzen,
in Ostpreußen die einzelnen Kreise, daneben auch einzelne große Städte.
Die Grundsätze der Armenverwaltung find in allgemeinen Zügen theils
im Gesetz, theils in den Landarmenreglements und den lokalen Statuten so ge-
geben, daß das Ermessen der Lokalbehörde nicht zu sehr eingeengt erscheint. Die
ausführenden Organe find die Magistrate, Armendirektionen und Bezirks-