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entrichten. Soweit eine solche Verurtheilung aber den letzteren getroffen hat,
können das Gericht, der der armen Partei bestellte Gerichtsvollzieher und Rechts-
anwalt die kreditirten Kosten, Gebühren und Auslagen von diesem, das Gericht
auch die ihm selbst bisher gestundeten Beträge einziehen. Das A. erlischt mit
dem Tode der begünstigten Partei und kann wieder entzogen werden, wenn eine
Voraussetzung seiner Bewilligung sich als früher nicht vorhanden herausstellt oder
fortfällt. Die Entscheidungen über Bewilligung und Entziehung des A. sowie über
die Nachzahlung gestundeter Beträge können ohne vorgängige mündliche Verhand-
lung ergehen. Die Beschwerde ist nur gegen eine folche Entscheidung, welche das
A. bewilligt, ausgeschlossen.
Lit: CPO. I#§ 106—118. — Rechtanwalts-Ordn. v. 1. Juli 1878, § 34. — Fitting,
Reichscivilprozeß (4. Aufl.), S. 407. — Ueber das frühere Gemeine R. und die Entwicklung
des A. s. Linde, Ztschr. f. Civ. R. u. Prz., Bd. 1, S. 57. — Albrecht a. a. O., Bd. 11,
S. 39. — Linde, Arch. f. civ. Praxis, Bd. 16, S. 51. — Sartorius a. a. O., Bd. 18,
S. 237. — Reatz, Ztschr. f. Rechtsgesch., Bd. 2, S. 421. — Fucchhs a. a. O., Bd. 5, S. 104.
— Sprickmann-Kerkerinck, Arch. kath. Kirchenrecht. Bd. 25, S. 145.
P. Hinschius.
Armenverbände. Nachdem auch in Deutschland die Armenpflege aus den
Händen der Kirche auf den Staat übergegangen war, hat letzterer dieselbe doch
nicht unmittelbar geübt, sondern sie auf seine kommunalen Bestandtheile übertragen.
Das Preuß. A. LR. erklärte die mit eigenen Armenfonds versehenen Korporationen,
die Stadt= und Dorfgemeinden zur Versorgung der Armen für verpflichtet; Arme,
denen Privatpersonen, Korporationen oder Kommunen Hulfe nicht schuldeten oder
nicht gewähren konnten, sollten in öffentlichen Landarmenhäusern untergebracht
werden. Die auf dieser Grundlage entwickelte Preußische Armenpflege ist das Vor-
bild für die Ordnung des Unterstützungswesens im Norddeutschen Bunde bzw. im
Deutschen Reiche geworden. Das — mit Ausnahme Bayerns und Elsaß-
Lothringens in ganz Deutschland geltende — Reichsges. v. 6. Juni 1870 bestimmt,
daß die böffentliche Unterstützung Hülfsbedürftiger durch Orts-A. und durch
Land-A. zu üben ist. Die Organisation der Orts-A. schließt sich an die kom-
munal-politischen Verfassungen in der Weise an, daß die Gemeinden bzw. Guts-
bezirke — einzeln oder zu einheitlichen Gesammt-A. vereinigt — die Orts-A.
bilden. Die Land-A. umfassen der Regel nach eine Mehrheit von Orts-A. Die
Zusammensetzung und Einrichtung der A., die Art und das Maß der im Fall der
Hülfsbedürftigkeit zu gewährenden öffentlichen Unterstützung, die Beschaffung der
erforderlichen Mittel, die gegenseitigen Beziehungen zwischen Orts= und Land-A.
find der Landesgesetzgebung zugewiesen. Hiernach hat sich die Organisation der
A. in den einzelnen Bundesstaaten verschieden gestaltet.
In Preußen bildet jede Gemeinde bzw. jeder außerhalb des Gemeindever-
bandes stehende Gutsbezirk für sich einen Orts-A., sofern sie nicht einem Gesammt-A.
angehören. Die Verwaltung der Armenpflege liegt in den Gemeinden den ver-
fassungsmäßig für die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten bestellten Ge-
meindebehörden ob, doch kann dieselbe auch besonderen Deputationen übertragen
werden. Die Kosten der Armenpflege werden in derselben Weise, wie die übrigen
Gemeindelasten aufgebracht. Die Verwaltung der Armenpflege in den Gutsbezirken
erfolgt nach den gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltung der örtlichen An-
gelegenheiten; die Kosten trägt der Gutsbesitzer. In den Gesammt--A. werden die
Armenangelegenheiten nach Maßgabe des Statuts durch die geordneten Vertreter
verwaltet. Die Kosten werden, wenn nicht etwas Anderes vereinbart ist, auf die
einzelnen Bezirke nach Maßgabe der in ihnen aufkommenden Klassen= und Ein-
kommensteuer, der halben Gewerbesteuer sowie der halben Grund= und Gebäude-
steuer vertheilt. — Die Preußischen Land-A. find seit dem Inkrafttreten des Gesetzes
vom 6. Juni 1870 mehrfacher Umgestaltung unterzogen worden. Land-A. bilden