Abtreibung der Leibesfrucht. 29
mit dem er in seinem Wesen (nämlich als die Zeit der Rückbildung der Gebär-
mutter und deren Anhänge) identisch ist. Obschon es außer dem Fötalpuls (dem
Hören der Herztöne des Kindes), welcher von der 18. bis 20. Woche, unter
günstigen Bedingungen von der 15. bis 16. Woche ab, gehört wird, und dem
Fühlen von Kindestheilen während des Lebens keine sicheren Kennzeichen vor-
handener Schwangerschaft giebt, so kann doch nachträglich auch aus den übrigen
sonst nur wahrscheinlichen Zeichen ein Rückschluß auf stattgehabte Schwangerschaft
gemacht werden, besonders wenn z. B. bei einer Sektion andere Ursachen für diese
Zeichen ausgeschlossen werden konnten. Eine schleunige Untersuchung der Nieder-
gekommenen ist schon deshalb nöthig, weil das abgetriebene Ei noch nicht voll-
ständig die Geburtswege verlassen zu haben braucht, weil sich noch frische Blut-
klumpen vorfinden können, bei deren Abspülung man das Ei entdecken könnte.
Für die Kenntniß der stattgehabten Niederkunft ist der Umstand, ob eine Erst-
gebärende oder Mehrgebärende zu untersuchen ist, ob krankhafte Zustände der
Gebärmutter (Polypen, Geschwülste u. A.) vorhanden sind, von wesentlichem Interesse.
Der Vorgang beim Abortus ist in der Regel der, daß nach Blutabgang und
Gefühl von Schmerzen in der untern Bauchgegend in den ersten drei Monaten
das Ei meist unversehrt abgeht; vom dritten Monat, in welchem sich der Mutter-
kuchen deutlich ausbildet, geht zuerst nach Springen der Eihäute das Fruchtwasser
ab, der Fötus wird geboren und es folgt der Mutterkuchen mit den Eihäuten.
Nicht selten wird im dritten und vierten Monat das Ei stückweise entfernt und in
der Gebärmutter bleiben, oft zu großer Gefahr für die Mutter, Eihautreste zurück.
Der Abortus kann stundenlang bis 8 Tage, seltener länger als 14 Tage bis
3 Wochen dauern.
Man unterscheidet aus klinischen Gründen die Fehlgeburt oder den Abortus,
der in den ersten 24 bis 28 Wochen auftritt, von der Frühgeburt in der
folgenden Zeit, bei welcher das Kind am Leben bleiben kann, ein Unterschied,
welcher in foro zur Rechtfertigung des Zeitpunktes gewisser Operationen von Wichtigkeit
werden kann. Die Beurtheilung der abgestorbenen Frucht soll zunächst feststellen, daß
nicht etwa ein Abortivei (ein von den Eihäuten gebildeter, mit Flüssigkeit und Gewebs-
trümmern gefüllter Sack), oder eine Mole (ein zu einer fleischigen oder blasigen
Masse entartetes Ei) vorliegt; ferner wie lange der Fötus todt ist, und welches
die Ursache des Todes war. Wie lange die Frucht todt ist, läßt sich oft um so
schwieriger bestimmen, als uns eine genaue Kenntniß der Zeit fehlt, die er zu
seinen Veränderungen braucht, wenn er in der Gebärmutter noch eine Zeit lang
zurückgehalten wird. Nicht immer geht nämlich die abgestorbene Frucht unmittelbar
nach dem erfolgten Tode sofort ab, sondern bleibt mitunter noch Wochen, selbst
Monate lang in der Gebärmutter. Bei diesem Verweilen wird sie im Laufe der
Zeit entweder erweicht, wird mazerirt („todtfaul“) oder, besonders wenn sie früh
abgestorben ist, mumifizirt.
Ob die Frucht in den ersten Monaten der Schwangerschaft abgestorben ist,
läßt sich in dieser Zeit in der Regel nicht entscheiden; vermuthen läßt es sich,
wenn längere Zeit blutige Abgänge vorhergegangen sind, gewisse bisherige Schwanger-
schaftszeichen verschwinden, allgemeine Erscheinungen auftreten 2c. Zu präsumiren
ist immer das Leben der Frucht und das Gegentheil zu erweisen. Unterbrechung
der Schwangerschaft vor ihrem rechtzeitigen Ende ist namentlich bei Mehrgebärenden
etwas sehr häufiges (nach Hegar kommt auf 8 bis 10 rechtzeitige Geburten wenigstens
ein Abort der ersten Schwangerschaftsmonate). Die Ursachen können im Ei liegen
oder in der Mutter. Disponirend wirken Erkrankungen der Mutter, z. B. Syphilis
(auch des Vaters), hochgradige Blutleere, Wärmestauung bei nicht infektiösen fieber-
haften Erkrankungen, Cholera, Unterleibs-Typhus, Erkrankungen der Gebär-
mutter und Fruchtanhänge, heftige Gemüthsbewegungen, Erschütterungen, indivi-
duelle Reizbarkeit der Gebärmutter rc., seitens des Eies aber angeborene Miß-