352 Beweis.
Wahrheit eines Thatumstandes sprechen. Es konnte daher nicht aus-
bleiben, daß die Doktrin bei der Begriffsbestimmung des B. ungemein variirte.
Auch fie versteht unter B. einmal die Handlung, wodurch der Richter überzeugt
wird, setzt daher die B.führung — B., und unterscheidet nach der Art der B.führung
natürlichen und künstlichen B., eigentlichen B. und bloße Bescheini-
gung 2c. Ferner versteht die Doktrin unter „B.“ das Refultat der B führung
nämlich die im Richter hervorgebrachte Ueberzeugung; sie verwechselt daher die
Wirkung mit der Ursache, und unterscheidet dann vollständigen und unvoll-
ständigen B. Weiter versteht sie unter B. die behufs der B. führung anzuord-
nenden Mittel, verwechselt also den B. mit den B mitteln, und spricht vom
Zeugen-B., Urkunden-B. 2c. Endlich versteht sie unter B. den Inhalt des B.=
mittels, wodurch der Richter überzeugt wird, setzt daher B. — B. grund.
Die neuere Doktrin (Fitting, Bayer, Renaudy) hat sich für die
letzte Auffassung erklärt. Wie im gemeinen Leben und im Gebiet der Wissen-
schaft, so versteht sie auch im Civilprozeß unter „B.“ den Inbegriff der
Gründe für die Wahrheit eines Thatumstandes, unter B. im weiteren Sinn die
Berufung auf solche Gründe. Beim Zeugen-B. sind das die Aussagen der Zeugen,
bei Sachverständigen deren Gutachten, beim Augenschein ist es die sinnliche Wahr-
nehmung des Richters, bei Urkunden ihr Inhalt, beim Eid die eidliche Erhärtung
des Schwurthemas, resp. die Verweigerung derselben.
Auf diesem Standpunkt sind gerichtliche Geständnisse, Notorietät
und Rechtsvermuthungen gerade so gut B.gründe und B mittel, wie Zeugen
und Urkunden, denn der Richter wird durch sie eben so sehr, ja durch Notorietät
und Geständniß noch mehr überzeugt, als durch die Aussagen der Zeugen oder durch
den Inhalt einer Urkunde. Anders verhält es sich, wenn man das Wort „Beweisen“
im engeren und formalen (prozes sualen) Sinn versteht. Da bedeutet es die
Herbeischaffung von Gründen für die Wahrheit einer Thatsache, also Hand-
lungen der Partei oder des Richters, wodurch der letztere aus anderen, als
in den Akten, resp. in der mündlichen Verhandlung bereits enthal-
tenen Gründen überzeugt wird. Was gerichtlich eingestanden, oder notorisch,
oder durch eine Rechtsvermuthung liquid ist, das gilt als erwiesen. Die Berufung
hierauf ist folglich keine B.führung. Man kann daher auch so definiren, „Beweisen“
im prozessualen Sinn heißt: Gründe beibringen für die Wahrheit einer bestrit-
tenen und bestreitbaren faktischen Behauptung, für welche keine
Rechtsvermuthung spricht. Daher ist die Berufung auf ein gerichtliches Ge-
ständniß des Gegners, auf die Notorietät eines Faktums, oder auf eine bereits
wirksame Rechtsvermuthung keine B. führung. Daher sind gerichtliche Geständnisse,
Notorietät und Rechtsvermuthungen keine B.mittel, sondern Befreiungsgründe
vom B. — Gegen diese Darstellung, nämlich gegen die Trennung der Ausdrücke
„B.“ und „Beweisen“, ist in jüngster Zeit Heusler aufgetreten. „B.“ in juristisch-
technischem Sprachgebrauch ist seiner Ansicht nach nicht B. grund (eine Definition,
die grammatikalisch, wie wissenschaftlich zu verwerfen sei), sondern = „Beweisen“.
Auch die Römische Rechtssprache braucht das Wort probatio (lehrt Heusler) nicht
für B. grund, sondern nur für den Akt des Beweisens. Der B.grund heißt bei den
Römern „argumentum"“ (1. 32 pr. D. 8, 2. 1. 3 § 2D. 22 5. 1. 1 § 10D. 48. 18).
Dagegen citirt Fitting eine Reihe von Stellen, worin probatio den B. grund bedeutet.
Unter „Beweisen“ versteht sodann Heusler die Herbeischaffung von Gründen für
die Wahrheit eines Satzes durch eine Partei, also nicht Handlungen des Richters,
wie man bisher annahm. Demnach sind Augenschein und Sachverständige
keine B. mittel, wie die Berufung hierauf keine B.führung (anderer Meinung: die Deutsche
CPO. Tit. VII und VIII Buch II). Sie sind es schon deshalb nicht, weil sie in
eigener sinnlicher Wahrnehmung des Richters, resp. seiner sachverständigen Gehülfen
bestehen und daher außerhalb des B. liegen, der nur ein historischer sein kann,