354 Beweis.
III. Beweislast. Was die Frage betrifft, welche Partei beweispflichtig ist,
so wird sie von den neueren Rechtslehrern entweder kafuistisch behandelt, oder
prinzipiell. Natürlich hat jene Partei den B. über die relevanten und bestrit-
tenen Thatsachen zu führen, welcher die Gesetze (das Civilrecht) denselben
auferlegen. In Ermanglung spezieller gesetzlicher Bestimmungen hierüber muß aber
die B.last nach allgemein en Regeln bestimmt werden. Das Röm. R. stellt
hierüber drei Prinzipien auf; das der Klage: agenti incumbit probatio, das der
Behauptung: necessitas probandi incumbit ei, qui dicit, non ei, qui negat.
und das der Vermuthung, wonach Derjenige beweisen muß, welcher die Ver-
muthung gegen sich hat, und also Derjenige von der Bllast befreit ist, welcher die
Vermuthung für sich hat. Von diesen drei Regeln wird die 1. am häufigsten an-
gewendet, die 2. sagt aber — richtig verstanden — dasselbe. Der Kläger muß
also den bestrittenen Grund seiner Klage darthun (agenti incumbit probatio) und
ebenso muß der Beklagte den Grund seiner Einreden beweisen (reus exeipiendo sit
actor). Die Frage, wer zu beweisen habe, löst sich demnach in die Frage auf,
was zu beweisen sei, und die Antwort hierauf richtet sich nach der Beantwortung
der Frage, was behauptet werden müsse, d. h. welche Thatsachen zur Substan-
tiirung der Klage, der Einreden, Repliken 2c. wesentlich sind (vol. Motive zu
§ 241 des Entwurfes der CPO.). Zur Substantiirung der selbständigen Angriffe
gehören aber alle jene Thatsachen, welche zu ihrer Begründung (Entstehung)
zunächst und unmittelbar nothwendig sind. Vgl. Bayer, S. 728—730.
Dabei ist es gleichgültig, wer diese Thatsachen zuerst angeregt hat, und ob sie be-
jahend oder verneinend lauten. Der Kläger braucht daher blos die zur
Entstehung seines Klagerechts erforderlichen Thatumstände darzuthun; ferner hat
er nur die speziellen, d. h. die nächsten und unmittelbaren, der betr.
actio charakteristischen Requisite zu beweisen, nicht die allgemeinen, d. h.
entfernteren und untergeordneten, welche bei jeder Klage vorkommen können.
Sache des Beklagten ist es dann, nicht blos die Wiederaufhebung des
Klagerechts zu behaupten und zu beweisen (die sog. rechtsaufhebenden Ein-
reden), sondern auch irgendwelche Mängel der allgemeinen Regquisite darzu-
thun (wie z. B. Mängel der Willensbestimmung und Dispositionsfähigkeit, die
sog. rechtshindernden Einreden). Nur ist der Umfang der letzteren nicht
so leicht zu bestimmen, wie das abgegrenzte und feststehende Gebiet der ersteren.
Hat endlich der Kläger den bestrittenen Klaggrund bereits erwiesen, oder spricht
für die Wahrheit desselben eine bereits wirksame Rechtsvermuthung, so muß der
Beklagte den B. der Unwahrheit übernehmen, wenn er nicht sachfällig werden
will. Es trifft ihn also die Blast bezüglich seines Widerspruchs, und es wird
dieser Gegen-B. nicht als solcher, sondern ganz wie ein Einrede-B. (Haupt-B.) be-
handelt (s. unten IV B.).
Lit.: Bayer, S. 725 ff. — Österloh, § 139. — Wetzell, § 15. — Renaud,
§ 98 u. 269. — Endemann, § 180. — Bethmann-Hollweg, Versuche, § 323 ff. —
Weber, B führung, S. 154 u. 278 ff. — Collmann, Grundlinien einer Theorie des B.,
§522. — Langenbeck, B führung, S. 249 u. 304. — Burkhardt, Die civ. Präsumtionen,
S. 131 ff. — Endemann, Die Blehre, S. 72 ff. — Rizi, Ueber die Verb. zur B führung.
— Gerber, Beitr. zur Lehre vom Klagegrund u. der B.last. — Maxen, Ueber Blast,
Einreden u. Ercept.
IV. Eintheilungen des B. A. Natürlicher und künstlicher B.
1. Die B.führung ist entweder: a) geradezu auf die Wahrheit oder Unwahrheit
des historischen Grundes der Klage, oder Einreden 2c. gerichtet, oder sie ist versucht;
b) die Bewahrheitung von Thatumständen, aus welchen sich die Wahrheit oder
Unwahrheit der Einrede erst durch Vermittlung eines Schlusses ergiebt. Die letztere
Art der B. führung wird die künstliche oder indirekte, die erstere die natür-
liche genannt. Eine Art des künstlichen B. bilden die Vermuthungen oder
Indizien, wohin auch die Berufung auf ein außergerichtliches Ge-
ständniß des Gegners gehört.