Beweis. 355
2. Die Motive zu § 239 des Entwurfs der D. CPO. erklären den Begriff
des künstlichen B. oder richtiger der künstlichen B.führung für unvereinbar mit dem
System des Gesetzes, d. i. der B. verbindung, und die Kommentatoren L.
Seuffert (S. 300) und Hellmann (II. S. 82) stimmen ihnen bei. Ich kann
mich aber hiermit nicht einverstanden erklären. Der B lp#atz ist (gleich der Bllast)
im neuen Prozeß ebenso, wie im alten, im Gesetz (Civilrecht) bestimmt, oder
nach allgemeinen Rechtsprinzipien zu konstruiren. Der Unterschied zwischen dem
alten und neuen Prozeß ist blos der, daß dort in der Regel der Richter die
B.last und den B satz (im B.,interlokut) bestimmt, hier aber die Partei selbst
diese Funktion bei der B.antretung übernimmt. Tritt nun der Kläger nicht über
den Klagegrund selbst, sondern über ein außergerichtliches Geständniß des Geg-
ners, oder über den Untersatz einer Vermuthung B. an, oder beweist der Be-
klagte ein Alibi, so ist das im neuen Prozeß nicht minder ein künstlicher
B., als im alten, weil der Kläger andere Thatsachen beweist, als die-
jenigen, deren B. das Gesetz oder allgemeine Rechtsprinzipien vorschreiben. Der
Umstand, daß der Blhbeschluß den B. des Geständnisses oder der Vermuthungs-
prämisse zuläßt, ohne von dem nachzuweisenden Klagegrunde eine Erwähnung zu
machen, ändert daran nichts. Spricht man ja auch im alten Prozeß vom künst-
lichen B. dann, wenn der B. antizipirt wurde, und also das B l urtheil in Weg-
fall kommt.
3. Gegen die Unterscheidung von natürlichem und künstlichem B. hat
sich nun aber Heusler erklärt. Die Partei (sagt er) führt immer nur einen sog.
natürlichen B. Der sog. künstliche B. umfaßt zwei verschiedene Opera-
tionen: 1. den natürlichen, korrekter den historischen B. der Partei über die
Existenz des Geständnisses oder Indiziums, und 2. die Schlußfolgerung des
Richters aus der durch den historischen B. gewonnenen Thatsache auf die definitiv
entscheidende Thatsache (kritische Deduktion). Die einzig möglichen Leistungen des
historischen, also mit Bmitteln geführten B., sind die Herstellung der Ge-
wißheit des Rechtsakts selbst, oder eines Geständnisses, oder eines In-
diziums. Geständniß und Indizien sind daher weder Bugründe noch
B.mittel, sondern Folgerungsgründe.
Lit.: Martin, Vorles., II. S. 82. — ÖOsterloh, § 137. — Langenbeck, B führung,
S. 405. — Endemann, Renaud, Komm. zu § 106 der CPO. — Endemann, S. 691;
Dessen Blehre, S. 66. — Heusler im Archiv, Bd. 62 S. 230 ff.
B. Hauptbeweis und Gegenbeweis. Die ältere Doktrin und mit
ihr die Praxis definirt den Haupt-B. und Gegen-B. nicht in materiellem Sinn,
wie die neuere Schule, sondern in formalem. Sie versteht nämlich unter
Haupt-B. jenen B., mit welchem eine Partei zuerst hervortreten muß, wenn sie
nicht sachfällig werden soll, unter Gegen-B. jenen B., welchen der Gegner des
Probanten in derselben Sache herzustellen sucht. Der Gegen-B. ist aber doppelter
Art, er ist entweder ein direkter Gegen-B., welcher den Haupt-B. als folchen
angreift (sei es die B.mittel, oder den B satz); oder er ist ein indirekter Gegen-
B., welcher das Recht des Probanten als unwirksam oder aufgehoben darzustellen
sucht. Es ist das der B. der Einrede bei widersprochener und bewiesener Klage,
der B. der Replik bei widersprochener und bewiesener Einrede. Der B. der Ein-
rede erscheint daher bald als Haupt-B., bald als Gegen--B., je nachdem die Klage
zugestanden, oder widersprochen wurde. Gerade hierin liegt aber die Kehrseite der ganzen
Auffassung; der Einrede-B. ist nämlich seiner ganzen Natur nach immer ein
wahrer Haupt-B., denn er ist, wie der Klage-B., der B. eines selbständigen Angriffs
(Gegenangriffs). Sodann greift er auch bei widersprochener Klage, somit als sog.
indirekter Gegen-B. nur das Klagerecht, nicht aber den Klage-B. an, und kann
daher diesem gegenüber kein Gegen-B. genannt werden. Er ist aber auch seinen
Eigenschaften und Wirkungen nach, also in vrozesfualer Beziehung, ein
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