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Die im corpus juris canonici nicht enthaltenen späteren päpstlichen B. sind
seit Ausgang des 16. Jahrhunderts mehrfach gesammelt worden durch die soge-
nannten Bullarien, d. h. chronologisch geordnete Kompilationen der päpstlichen
Konstitutionen. Diese Sammlungen haben als bloße Privat-Unternehmungen kein
gesetzliches Ansehen, und die von ihnen mitgetheilten Erlasse daher nur insofern
Gültigkeit, als sie rite publizirt sind und mit dem Original übereinstimmen.
Für die pöäßpstliche Gesetzgebung sind folgende materielle Gesichtspunkte maß-
gebend: Im Papste ist nach Kanonischem R. die ganze Fülle der gesetzgebenden
Gewalt umschlossen, die im Mittelalter auch als oberste Autorität über den Staaten
behauptet und in der Hauptsache durchgesetzt wurde. Nach heutigen Staatsprin-
zipien kann von einer kirchlichen Gesetzgebung des Papstes nur im Rahmen der
Staatsordnung und des staatlichen Rechtes die Rede sein. Die päpstliche Kirchen-
gesetzgebung, wie alle autonome Rechtsbildung im Staate, unterliegt prinzipiell der
aus der Souveränetät fließenden Aufsicht des Staates. In vielen Staaten wird
dieses Aufsichtsrecht des Staates über die kirchliche Rechtsbildung in der Form des
Placet geübt, so in Bayern, d. h. alle kirchlichen Erlasse müssen vor ihrer Publi-
kation dem Staat unterbreitet und dürfen nur mit dem Placet des letzteren versehen
publizirt werden (vgl. auch d. Art. Placet). Die Kirche weist dies als ungerechtfertigte
Beschränkung ihrer Freiheit zurück und praktisch hat das Placet wenig genützt.
Biele Staaten haben auf dieses Aufsichtsrecht verzichtet, so Preußen seit 1841
und schreiten gegen Aeußerungen der kirchlichen Rechtsbildung, die den Staat ge-
fährden, nur repressiv ein. — Durch das Vatikanische Konzil wurden zwei alte
Streitfragen der katholischen Kirche bezüglich der päpstlichen Gesetzgebungsgewalt in
dogmatischer Weise entschieden: einmal, daß der Papst das Recht habe, jederzeit in
das Regiment jeder Diözese des Erdkreifes einzugreifen (Universalepiskopat), sodann,
daß Entscheidungen des Papstes in Sachen des Glaubens und der Disziplin, wenn
ex cathedra gefällt, unfehlbar seien (Infallibilität), const. dogm. I de Eccl. Christi,
c. 3 u. 4, ohne daß es hierzu eines Konsenses des Konziles bedürfte. Die Publi-
kation päpstlicher Erlasse erfolgt rechtskräftig in Rom Urbi et Orbi durch Anschlag
an der Thür der apostolischen Kanzlei und der lateranischen Basilika. Besondere
Mittheilung an die einzelnen Dihzesen ist nicht erforderlich zur Rechtskrast. Ebenso-
wenig Annahme der päpstlichen Gesetze durch die Bischöfe, wie die episkopalistische
Theorie behauptet hatte. Die Bischöfe haben nur die päpstlichen Gesetze für ihre
Diözesen anzupassen.
Lit.: Die besten Ausgaben sind das Bullarium Magn. Rom. a Leone M. usque ad
Bened. XIII. Luxemb. 1727 ff. (c. suppl. bis Bened. XIV. 19 Bde.). — Coquelines,
Bullarum privileg. ac diplom. R. Pontiff, ampl. collectio, Rom. 1739 ss. (14 Bde.), Taur.
1857 (Tomassetti, 24 Bde.), woran sich für die neuere Zeit (bis 1835) das Werk von Bar-
béri: Magn. Bullar. Rom. summ. Pontiff1, Rom. 1835 ss. (19 Bde.) schließt. — Schulte,
Kirchemrecht, I. & 17. — Phillips, Kirchenrecht, IV. § 198. — Friedber 6 kircheurech,
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Bundesrath, der Deutsche. Der B. ist eine dem Deutschen Reiche ganz
spezifisch eigenthümliche staatsrechtliche Institution, für welche sich in den beiden
republikanischen Bundesstaaten Schweiz und Nordamerikanische Union keine Parallele
findet. Im B. kommt der monarchische Charakter des Deutschen Reiches zum
staatsrechtlichen Ausdruck. Der B. ist die Vertretung der Staatsoberhäupter im
Reiche, somit der „Repräsentant der eigentlichen Souveränetät“ (Fürst Bismarck).
Der B. entstand in der natürlichsten Weise bei Gründung des Norddeutschen
Bundes als Ausdruck der thatsächlich gegebenen Verhältnisse. Die Versammlung
von Vertretern der Regierungen, die zuerst in völkerrechtlicher Weise die Bundes-
verfassung berathen und beschlossen hatte, wurde in dem auf Grundlage dieser Ver-
fassung neugeschaffenen Staate zur dauernden staatsrechtlichen Institution. — Der
B. ist als Vertretungskörper der „verbündeten Regierungen“ das oberste Organ
des Reiches; für seine Kompetenz spricht die Präsumtion, wo nicht durch spezielle