Bundesrath. 435
Rechtssätze die Ausübung der Staatsgewalt anderen Faktoren übertragen ist. Da
der B. aus Vertretern besteht, so bedürfen dieselben der Instruktion und Vollmacht
und können prinzipiell nur auf Grund der letzteren thätig werden (RVerf. Art. 6).
Niemand kann zugleich Vertreter der Regierung im B. und Abgeordneter des
Volkes im Reichstag sein (RVerf. Art. 9). Die Stimmen eines Staates können
nur einheitlich abgegeben werden (RNVerf. Art. 6). Soweit einzelne Materien des
Reichsrechtes „nach den Bestimmungen der Verfassung“ nicht auf alle Staaten
ausgedehnt sind, sind die Vertreter solcher Staaten zur Stimmabgabe im B. nicht
berechtigt (RVerf. Art. 7, Abs. 4). — Der B. wird gebildet aus 58 Stimmen,
von welchen (nach Maßgabe der ehemaligen Vertheilung der Stimmen im Deutschen
Bunde) Preußen 17, Bayern (statt 4) 6, Sachsen und Württemberg je 4, Baden
und Hessen je 3, Mecklenburg-Schwerin und Braunschweig je 2, alle übrigen
Staaten je 1 Stimme führen (RVerf. Art. 6); Elsaß-Lothringen ist nach der
neuesten Gesetzgebung durch eine „berathende“ Stimme vertreten (Gesetz vom 4. Juli
1879, § 7); als Unterthanenland kann es begrifflich eine beschließende Stimme
nicht haben. Die Thätigkeit des B. regelt sich nach der Geschäftsordnung (vom
27. Febr. 1871), die Abstimmung erfolgt regelmäßig nach einfacher Stimmen-
mehrheit (RVerf. Art. 7, Abs. 3), anders nur 1) bei den sogenannten Sonder-
rechten; hier kann der bevorrechtete Staat nicht majorisirt werden (RVerf. Art. 78,
Abs. 2); 2) bei Verfassungsangelegenheiten, wo 14 Stimmen jeden Abänderungs-
antrag zu Falle bringen (MVerf. Art. 78, Abs. 1); 3) bei Zoll-, Marine= und
Militärsachen, wo die Preußische Stimme entscheidet, „wenn sie sich für Aufrecht-
erhaltung der bestehenden Einrichtungen“ (RVerf. Art. 5 und 37) ausspricht. Bei
Stimmengleichheit entscheidet die Preußische Stimme (NVerf. Art. 7, Abs. 3). Eine
bestimmte Zahl ist für die Beschlußfähigkeit nicht vorgeschrieben. Ist ein Staat
in der geschäftsordnungsmäßig angekündigten Sitzung nicht vertreten, so fällt seine
Stimme aus; ebenso wenn er wegen mangelnder Instruktion sich der Abstimmung
enthält (ibid.). Die erforderliche Zeit zur Einholung der Instruktionen muß
natürlich gewährt werden. Kein Einzelstaat ist rechtlich verpflichtet abzustimmen;
doch kann darin unter Umständen eine, eine Verantwortlichkeit der Regierung nach
Landesstaatsrecht begründende Berletzung der einzelstaatlichen Interessen liegen;
dauernde Fernhaltung eines Staates vom B. würde überdies wol die Anwendung
des Art. 19 der RVerf. (Bundesexekution) zur Folge haben müssen. — Die Legi-
timation der Bevollmächtigten zum B. liegt in ihrer Vollmachtsurkunde, welche
beim Beginn der Session durch den Reichskanzler zu prüfen ist. Die Ernennung
von B. sbevollmächtigten wird im Reichsgesetzblatt publizirt. Die Instruktion ist lediglich
Sache des Einzelstaates und unterliegt keiner Kognition von Reichswegen. Nach
Reichsrecht bestünde kein Hinderniß, wenn durch Landesgesetz die Ertheilung der In-
struktion überhaupt oder für bestimmte Fälle von der Zustimmung der Landks-
vertretung abhängig gemacht werden wollte. Geschehen ist dies nirgends. Der B.
tritt nur periodisch zusammen, wenn er vom Kaiser berufen wird; im Namen des
Kaisers werden die Sitzungen durch den Reichskanzler eröffnet, vertagt, geschlossen
(RVerf. Art. 12). Der Kaiser muß den B. berufen, wenn ein Drittel der
Stimmen, also mindestens 20, dies verlangt (NVerf. Art. 14). Ferner muß der
B. berufen werden, wenn und so lange der Reichstag versammelt ist (Merf.
Art. 13). Außerdem wird derselbe berufen, wenn die Geschäfte dies erfordern. Die
Sessionen des B., welche während des versammelten Reichstages stattfinden, werden
ordentliche, die übrigen außerordentliche genannt. Den Vorsitz und die Leitung
der Geschäfte hat der vom Kaiser ernannte Reichskanzler (RVerf. Art. 15); letzterer
muß in jedem Falle preußischer Bevollmächtigter zum B. sein. Der Reichskanzler
kann sich im Vorsitz durch jedes Mitglied des B. vertreten lassen (RVeri. Art. 15,
Abs. 2); sollte keiner der Preußischen Bevollmächtigten anwesend sein, so hat
Bayern das Recht des Vorsitzes (Versailler Schlußprot. Ziff. IX). Ter Reichskanzler
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