Bundesrath. 437
fassungsmäßiger Mitwirkung bei Bildung des Reichswillens gelangen. Die Rechte
der Einzelstaaten find in dieser Beziehung prinzipiell gleich und nur nach Maßgabe
der faktischen Verhältnisse quantitativ verschieden. Der B. ist das höchste Organ
des Reiches, seine Beschlüsse und Entscheidungen sind, wo er allein thätig zu werden
hat, definitiv. Bei Gesetzesvorlagen kann ein im B. in der Minderheit gebliebener
Bevollmächtigter im Reichstag noch den Versuch machen, einen Beschluß dieser letz-
teren Körperschaft zu extrahiren, vermittelst dessen eine Abänderung des früheren
B. beschlusses erreicht werden könnte. Jederzeit muß jedes Mitglied des B. im
Reichstag zum Wort verstattet werden (RVerf. Art. 9). Die Hauptaufgabe des
B. ist die Mitwirkung bei der Reichsgesetzgebung (NVerf. Art. 5). Regelmäßig
stellt zuerst der B. den Inhalt der dem Reichstag in Vorlage zu bringenden Gesetz-
entwürfe fest (RVerf. Art. 7, Z. 1); hat der B. einen solchen mit Stimmen-=
mehrheit angenommen, so muß er dem Reichstag in Vorlage gebracht werden. Der
B. ertheilt ferner denjenigen Gesetzentwürfen, deren Inhalt durch übereinstimmenden
Mehrheitsbeschluß von B. und Reichstag festgestellt wurde, die Sanktion, den Ge-
setzesbefehl. Dieser staatsrechtlich hochwichtige Akt tritt äußerlich gar nicht hervor,
sondern liegt nur in dem Beschlusse, ein Gesetz dem Kaiser behufs der Ausfertigung
und Verkündigung zu überweisen. — Der B ist ferner das prinzipielle Organ des
Reichsverordnungsrechtes (RVerf. Art. 7, Z. 2 u. 3), soweit nicht durch Spezial-
bestimmungen dieses Recht anderen Faktoren der Reichsgewalt übertragen ist, wie
dies besonders in großem Umfange bezüglich des Kaisers geschah. Der B. wirkt
weiterhin, sei es im Plenum, sei es durch einen seiner Ausschüsse, mit zur Ernennung
folgender Kategorien von Reichsbeamten: der Kontrollbeamten für das Zoll= und
Steuerwesen, der Konsuln, der Mitglieder des Reichsrechnungshofes, des Reichs-
gerichtes, des Bundesamtes für Heimathwesen, der Disziplinarbehörden, der Ver-
waltung des Reichsinvalidenfonds und des Reichsbankdirektoriums. Der B. muß
zustimmen zu folgenden staatsrechtlichen Maßnahmen des Kaisers: Erklärung des
Krieges, ausgenommen wenn ein Angriff auf Reichsgebiet erfolgt ist (RVerf.
Art. 11, Abs. 2); Abschluß von Staatsverträgen, die sich auf Materien des Art. 4
der RVerf. beziehen (RVerf. Art. 11, Abs. 3); Auflösung des Reichstages während der
Legislaturperiode (RVerf. Art. 24); Anordnung der Bundesexekution gegen Bundes-
glieder (RVerf. Art. 17). In Finanzsachen hat der B. neben seiner allgemeinen
Funktion bei Feststellung des Etatsgesetzes noch folgende Funktionen: Prüfung der
vierteljährlichen Rechnungen der Einzelstaaten über Erhebung von Zöllen und
Reichssteuern durch den Ausschuß für Rechnungswesen und darauphin Feststellung
der an die Reichskasse abzuführenden Beträge durch das Plenum (NVerf. Art. 39);
Ertheilung der Decharge über Verwendung der Reichseinnahmen an den Reichs-
kanzler (NMerf. Art. 72); Kontrolle der Reichsschuldenverwaltung durch drei in
die Kommission hierfür zu deputirende Mitglieder; Kontrolle der Reichsbankverwal-
tung in gleicher Weise. Dem B. sind ferner durch andere Spezialgesetze in großem
Umfang Kompetenzen finanzieller Natur beigelegt worden. Außerdem hat derselbe
noch theilweise richterliche Funktionen: die vereinigten Ausschüsse für das Landheer
und die Festungen und für Handel und Verkehr haben als Oberverwaltungsgericht
über Anträge von Festungsstädten auf Erweiterung ihrer Thore zu entscheiden:
zwangsweise Versetzung in den Ruhestand verfügt das Plenum des B. bei solchen
Beamten, die keine kaiserliche Bestallung empfangen, der Kaiser unter Zustimmung
des B. bei den mit solcher Bestallung ausgestatteten; der B. hat über Pensionirung
von Reichsbeamten zu entscheiden. Das Plenum hat endlich noch mehrere Rechte.
die sich als Ausfluß des höchsten Oberaufsichtsrechtes über die Einzelstaaten quali-
fiziren: im Falle einer Justizverweigerung durch die Gerichte eines Einzelstaates ist
Beschwerde an den B. zulässig und der B. hat, wenn er die Beschwerde begründet
findet, durch den Reichskanzler die betreffende Landesregierung zur Abhülfe zu ver-
anlassen (RVerf. Art. 77); Streitigkeiten staatsrechtlicher Natur zwischen zwei