56 Agrargesetzgebung.
Besitzrechte (wie in Preußen das Erbpachtrecht) in Eigenthum verwandelt. Das
guts= oder grundherrliche Obereigenthum oder Eigenthum als solches mit den dar-
in enthaltenen Heimfallsrechten und sonstigen Befugnissen ist dabei meist ohne
Entschädigung fortgefallen (z. B. in Preußen, Oesterreich und Württemberg). Da-
gegen sind die aus privatrechtlichem Titel entstammenden selbständigen Verhältnisse
entweder nur gegen Entschädigung aufgehoben (z. B. in Oesterreich, Bayern,
Württemberg) oder überhaupt lediglich für ablösbar erklärt (z. B. in Preußen,
Sachsen, Baden, Hessen-Darmstadt), und es muß also in solchen Fällen eine guts-
herrlich-bäuerliche Regulirung vorangehen, ehe das volle Eigenthum an der bäuer-
lichen Stelle erworben wird.
Die Gesetzgebung bestrebt sich aber ferner, nicht blos volles, sondern auch freies
bäuerliches Eigenthum zu schaffen und zu diesem Behufe die Entlastung des Bodens
von allen privatrechtlichen Reallasten, insbesondere den Frohnen, Zehnten, Grund-
zinsen und Laudemien sowie von einzelnen nachtheiligen Grunddienstbarkeiten (val.
die Art. Feldservituten, Forstservituten und Weideservituten) her-
beizuführen. Die vor 1848 nur in beschränktem Maße durchgeführten, in den
Deutschen Grundrechten § 36 allgemein versprochenen, seitdem im weitesten Umfange
ergangenen Ablösungsgesetze haben zum Theil derartige Lasten unmittelbar auf-
gehoben (z. B. in Oesterreich, Württemberg, Nassau, vielfach auch sonst Frohnen 2c.),
zum Theil sie in feste ablösbare Bodenzinse verwandelt (z. B. in Bayern), zum
größten Theil aber sie für ablösbar auf einseitigen Antrag des Verpflichteten und
in der Regel auch auf einseitigen Antrag des Berechtigten erklärt. Ausgenommen
sind überall die öffentlichen Reallasten, wie Staats-, Gemeinde-, Schul-,
Kirchen= und Deichlasten. In allen diesen Fällen erfolgt sowol die Ablösung, als
die Aufhebung gegen volle Entschädigung, welche in Ermanglung einer Ver-
einbarung durch staatliche Behörden nach Maßgabe des ermittelten jährlichen
Durchschnittswerthes festgestellt wird. Um die definitive Abfindung des Berech-
tigten, welche nur in einzelnen Fällen in Land geschieht, durch eine Kapitalsumme,
die in einem bestimmten (18= oder 20-, nie über 25fachem) Vielfältigen des
Jahreswerthes bestehen muß, zu erleichtern, haben die Staaten Rentenbanken oder
Ablösungskassen errichtet oder garantirt. Diese Anstalten übernehmen an Stelle
der Pflichtigen die Abfindung der Berechtigten, denen sie das gesetzliche Ablösungs-
kapital in verzinslichen Schuldscheinen auszahlen, und treten dafür ihrerseits in
das Recht auf Fortbezug der Leistungen ein, bis durch diese nach dem festgestellten
Plan (in Preußen nach 41 1/12, bei den Berechtigungen der pia corpora aber erst
nach 56 11 Jahren die Schuld getilgt ist; (vgl. d. Art. Ablösungskapitalien
und Ablösungssachen).
Alle Ablösungsgesetze haben den Rechtscharakter wahrer Zwangsenteignungen.
Für die Zukunft verbieten diese Gesetze die Wiederherstellung, Ersitzung oder
Neubegründung der aufgehobenen Rechtsverhältnisse, wovon Ausnahmen nur in
genau bestimmtem Umfange und stets mit dem Vorbehalt der Ablösbarkeit zu-
lässig sind.
III. Die Gesetzgebung sucht aber nicht blos den grundherrlichen Verband mit
seinen Folgen aufzulösen: sie strebt auch, indem sie eine mehrtausendjährige Ent-
wicklung von der Gemeinwirthschaft zur Einzelwirthschaft zum Abschluß bringt, die
Einzelgüter von den Schranken zu befreien, welche dem Eigenthümer durch die Ge-
meinde und die Reste des alten Gesammteigenthums gezogen werden.
Zunächst ist in Bezug auf die Feldflur der alte Flurzwang, welcher als Rest
der ehemaligen Feldgemeinschaft den Einzelnen an das Wirthschaftssystem der Ge-
meinde band, durch die Kulturfreiheit ersetzt worden. Da aber, wenn der Zwang
gleichmäßiger Bebauung und Brache fortfiel, die aus der ursprünglichen Anfiedlung
entstandene Gemengelage der Aecker, d. h. die zerstreute Lage der Aecker des Ein-
zelnen in den verschiedenen Feldungen, zu einem unerträglichen Erschwerniß der