Einkommensteuer. 629
steuerkataster, Gewerbesteuerrollen, sowol in Bezug auf die Bevölkerungsangaben
als auch in Betreff der Richtigkeit der Steuerbefrkiungen und der einzelnen Sleuer-
sätze sowie endlich in Bezug auf die gleichmäßige Vertheilung der Steuer innerhalb
derselben Gemeinde und aller Gemeinden des Kreises gegen einander, eingehend ge-
prüft werden. Im Gegensatz zu dem früheren Gesetze, wonach die Regierung bei
dieser Feststellung der Klassensteuerbeträge völlig freie Hand hatte, darf jedoch
gegenwärtig die Versetzung Steuerpflichtiger in eine höhere Stufe als diejenige ist,
in welche sie von den Einschätzungskommissionen veranlagt sind, ohne Weiteres nur,
wenn es sich hierbei um die Berichtigung eines offenbaren Schreibfehlers handelt,
in allen übrigen Fällen dagegen nur nach vorheriger Anhörung der betreffenden
Einschätzungskommission erfolgen.
4) Was die Reklamationen gegen die Klassensteuerveranlagung betrifft, so
müssen diese nach dem alten wie nach dem neuen Gesetze binnen präklusivischer
Frist (seit dem Gesetze vom 16. Juni 1875 nicht mehr in drei, sondern in zwei
Monaten) bei dem Landrath (Kreishauptmann resp. Bürgermeister der Stadtkreise)
eingegeben werden. Ueber die angebrachten Reklamationen entscheidet jetzt, wie
früher, nach darüber eingeholtem Gutachten einer von der Kreisvertretung, in den
Stadtkreisen von der Gemeindevertretung zu wählenden Reklamationskommission
die Bezirksregierung (Finanzdirektion). Im Falle nun die Bezirksregierung (Finanz-
direktion) dem Gutachten der Reklamationskommission nicht beitritt, so mußte früher
diese Regierungsentscheidung durch Plenarbeschluß erfolgen, während jetzt vorge-
schrieben ist, daß in diesem Falle die Entscheidung durch die Bezirkskommission für
die klassifizirte E. zu erfolgen hat. Gegen die Entscheidung der Bezirkskommission
endlich sowie gegen die Entscheidung, welche die Regierung in Uebereinstimmung
mit der Reklamationskommission erläßt, steht wiederum in Uebereinstimmung mit
dem früheren Rechte dem Reklamanten der bei dem Landrath einzureichende Rekurs
an das Finanzministerium offen; diesen Rekurs ist nach dem neuen Gesetze auch
die Regierung gegen die Entscheidungen der Bezirkskommission einzulegen berechtigt.
5) Eine sehr wesentliche Modifikation der Klassensteuer ist nun aber dadurch
eingetreten, daß der früher schwankende und nach heutigen Verhältnissen stetig
wachsende Betrag der Klassensteuer durch das neue Gesetz auf einen bestimmten
Normalbetrag festgesetzt ist, der nur durch Gesetz wieder abgeändert werden kann.
Und zwar ist dieser Jahresbetrag der aus Veranlagung der Klassensteuer mit Aus-
schluß der Zugänge zu erzielenden Solleinnahme auf 42 100 000 Mark festgestellt,
wobei zu bemerken ist, daß die Erhöhung der im 1878er Gesetze auf 42 Millionen
festgestellte Summe um 100 000 Mark in Folge der Einverleibung Lauenburgs
durch Gesetz vom 23. Juni 1876 erfolgt ist, sowie auch daß der Gesammtbetrag
der Klassensteuer in den Staatshaushaltsetats seit 1870 auf 39 Millionen Mark
sich belaufen hat. Wird also der Normalbetrag durch den aus der Veranlagung
sich ergebenden Jahresbetrag der Solleinnahme überstiegen oder nicht erreicht, so
findet eine Herabsetzung bzw. Erhöhung der letzteren bis auf den Normalbetrag
statt. Der Finanzminister veröffentlicht in diesem Falle durch die Gesetzsammlung
alljährlich bis zum 1. Juni (seit Verlegung des Etatsjahres) das Ergebniß der
Veranlagung und macht zugleich bekannt, wieviel Mal zwölf Pfennig auf je
dreihundert Pfennig der veranlagten Jahressteuer weniger oder mehr zu entrichten
sind, um den Normalbetrag zu erhalten. «
6) Es ist ausdrücklich hervorgehoben, daß diejenigen Personen, deren jährliches
Einkommen weniger als 420 Mark beträgt und die also von der staatlichen Klassen-
steuer befreit sind, doch zu den nach dem Klassensteuerfuße aufzubringenden Lasten
der kommunalen und anderen öffentlichen Verbände herangezogen werden können,
sofern sie nicht im Wege der öffentlichen Armenpflege eine fortlaufende Unter-
stützung erhalten. Endlich hat die Herabsetzung der Klassensteuerbeträge in den
unteren Stufen Veranlassung zu der Bestimmung gegeben, daß, soweit das Bürger-