Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

Akteneinsicht. 61 
Akteneinsicht (inspectio actorum). Das Recht der A., d. h. die Durch- 
sicht derselben behufs Kenntnißerlangung von ihrem Inhalte ist mit Ausnahme 
eines einzelnen, unten gedachten Falles insofern ein eingeschränktes, als nicht jedem 
Dritten die Ausübung desselben zusteht. Die Akten sind nach dieser Richtung hin 
keine öffentlichen Urkunden, in welche jeder einen Einblick zu nehmen befsugt ist. 
Vielmehr sind zur Uebung dieses Rechts nur diejenigen Personen berechtigt, welche 
ein rechtliches Interesse an der in den Akten verhandelten Rechtsangelegenheit haben. 
Auch der Umfang dieses Rechts ist ein bald größerer, bald geringerer, je nach der 
Beschaffenheit der Rechtsangelegenheit und ihrem allgemeineren oder spezielleren 
Interesse. Unbegrenzt ist er, wenn dem Rechte die Pflicht der Kenntniß des Akten- 
inhalts gegenübersteht. Diese Pflicht liegt der mit der Führung der in den Akten 
verhandelten Angelegenheit betrauten Behörde ob, also in gerichtlichen Sachen dem 
Richter, mag derselbe eine einzelne Person oder eine kollegialische Einheit sein. 
Im Uebrigen ist der Umfang des Rechts verschieden und zwar in folgender Weise: 
1. Die weiteste Ausdehnung hat er bei den amtlichen Akten der Civilstandes- 
beamten. Es müssen nämlich die Civilstandesregister Jedermann zur Einsicht vor- 
gelegt werden, und ist die Ausübung des Rechts der Einsicht nur an die Zahlung 
einer im Gesetz fixirten Gebühr gebunden (§ 16 des Res. v. 6. Febr. 1875). 
Die durch das Register konstatirten Statusverhältnisse sind Theile des öffentlichen 
seechte deren Kenntniß für jeden Dritten von mehr oder weniger großem Interesse 
ein kann. 
2. Beschränkter ist das Recht bei den Grundbuch= und Hypothekenangelegen- 
heiten. Auch sie ragen jedoch noch über den engen Kreis der direkt Betheiligten 
hinaus und gewinnen Bedeutung nicht allein für privatrechtliche, sondern auch für 
öffentliche Verhältnisse. Es gestattet daher die Preuß. Grundbuch-Ordn. im § 19 
die Einsicht der Grundakten den öffentlichen Behörden und den von ihnen be- 
auftragten Beamten in den gesetzlich bestimmten Fällen unbeschränkt und ohne vor- 
gängige Einholung einer Genehmigung von irgend einer Seite. Jeder Andere da- 
gegen, außer dem eingetragenen Eigenthümer, erlangt das Recht der A. nur dann, 
wenn er nach dem Ermessen des Vorstehers des Grundbuchamtes ein rechtliches 
Interesse an dem Akteninhalt hat. Ist er in der Lage, dieses Interesse dem Vorsteher 
nachweisen zu können, bedarf er der Einwilligung des Eigenthümers nicht, während 
andererseits diese Einwilligung ohne jenen Nachweis den Vorsteher zur Ertheilung 
der Genehmigung nicht verpflichtet. 
3. Bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten enthalten die Akten Urkunden, die 
beiden Parteien gemeinschaftlich sind und an welchen beide ein gleiches rechtliches 
Interesse haben. Es muß ihnen daher die Einsicht der Akten in vollem Umfange 
offen stehen. Das Preuß. Gesetz über das Verwaltungsstreitverfahren vom 3. Juli 
1875 enthält zwar keine diesbezügliche Vorschrift: es folgt jedoch auch hier das 
Recht der Parteien aus den allgemeinen Grundsätzen. Für die gerichtlichen 
Prozeßakten ertheilt der § 271 der CPO. den Parteien dieses Recht, schließt jedoch 
ausdrücklich diejenigen in den Akten befindlichen Schriftstücke aus, welche entweder 
für den Gang des Verfahrens unwesentlich sind, oder den Parteien einen Einblick 
in die Entstehung der Entscheidungen oder in die Rechtsansichten der einzelnen 
Mitglieder des Gerichts gewähren würden. Es dürfen daher den Parteien zur 
Einsicht nicht vorgelegt werden Entwürfe zu Urtheilen, Beschlüssen oder Ver- 
fügungen, die zur Vorbereitung der Entscheidungen gelieferten Arbeiten sowie die 
Schriftstücke, welche Abstimmungen oder Strafverfügungen betreffen. Zu den Par- 
teien, welche übrigens das Recht der A. sowol in Person, wie durch Bevollmächtigte 
ausüben können, gehören der Haupt= und Nebenintervenient, der Litisdenunziat 
und der Nominat, sobald diese dem Ruf Folge geleistet haben und in den Prozeß 
eingetreten sind. Dagegen ist anderen Personen die Einsicht der Akten nur unter 
der Bedingung gestattet, daß sie entweder die Einwilligung beider Parteien bei-
	        
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