Full text: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

794 Familienfideikommiß. 
bewegliche Sachen nur in der Rolle von Fideikommißpertinenzen. Partikularrechtlich 
ist aus angeblichen Zweckmäßigkeitsgründen mitunter ein Minimum des Ertrages 
vorgeschrieben. In Preußen 7500 Mark jährlich (vgl. Preuß. LR. II. 4 § 51). 
Zum Zweck der Ueberwachung des Fideikommisses ordnen manche Par- 
tikularrechte die Errichtung eines Inventars an; mitunter wird Kautionsleistung 
des jeweiligen Fideikommißinhabers verlangt. Zu den Sicherungsmaßregeln dieser 
Art gehört ferner die Aufstellung eines Fideikommißkurators für unbekannte An- 
wärter und insbesondere die Unterstellung des F. unter die Aufsicht einer Behörde, 
Fideikommißbehörde, als welche in Preußen das Oberlandesgericht der belegenen 
Sache bestellt ist. 
Was das Recht des jeweiligen Besitzers am Stiftungsgute betrifft, so 
scheuten sich die älteren Doktrinen ihm das Eigenthum an der Sache zuzusprechen. 
Man räumte ihm nur den Nießbrauch ein und hielt die Fideikommißsuccessoren 
oder gar den Staat, als Garanten der Familienstiftung, für den wahren Eigen- 
thümer. Oder man legte der Familie als solcher ein Gesammteigenthum bei, das 
durch den jeweiligen Inhaber ausgeübt werde. Am meisten verbreitet war die 
Theorie des getheilten Eigenthums, welche der Familie das Obereigenthum, dem 
Inhaber ein Nutzungseigenthum zuschrieb und diesen als Mitglied der Familie 
zugleich am Obereigenthum derselben partizipiren ließ. Diese Ansichten, von welchen 
letztere in die Sprache der Gesetzgebung übergegangen ist, können dem Rechtsinstitut 
in seiner heutigen Gestalt nicht zu Grunde gelegt werden. Der stiftungsmäßige In- 
haber des Gutes ist Eigenthümer desselben, ein Moment, durch welches das Fidei- 
kommiß sich von der eigentlichen Familienstiftung unterscheidet, welche eine juristische 
Person, ein pium corpus als Rechtssubjekt konstituuirt. Das Eigenthum des Fidei- 
kommißinhabers ist beschränkt durch den Stiftungswillen und den Stiftungszweck, 
welcher die Ausübung des Eigenthums nur salva substantia rei gestattet, da das 
Warterecht der successionsberechtigten Familienglieder der freien Verfügungsgewalt 
des Eigenthümers im Wege steht. — Nach Preuß. Grundbuchrecht wird der F. in 
das Eigenthumsblatt des Grundbuchfoliums eingetragen. Die Anwärter mögen sich 
in der zweiten Abtheilung: „dauernde Lasten und Einschränkungen des Eigenthums“ 
verzeichnen lassen. — Der Inhaber, dem einerseits der volle Gebrauch und die vollen 
Nutzungen der Sache zustehen, ist andererseits zu keiner Veräußerung (Verpfändung 
und dauernde dingliche Belastung des Gutes eingeschlossen) berechtigt. Die trotzdem 
erfolgte Veräußerung ist nichtig; sie überträgt kein Eigenthum; die Anwärter können 
gegen den Erwerber mit der rei vindicatio (Revokatorienklage) auftreten, sobald sie 
zur Succession gelangen. Auch der Descendent des Veräußernden ist nicht gebunden, 
die Veräußerung anzuerkennen, da er ja sein Recht nicht etwa als Erbe von dem 
Ascendenten, sondern vom Stifter herleitet. Selbst die Zustimmung der lebenden 
Anwärter und eines für die Nachkommen aufgestellten Fideikommißkurators oder ge- 
richtliche Genehmigung können nach Gem. R. der Veräußerung nicht zur Gültigkeit 
verhelfen. In dieser absoluten Unveränderlichkeit der Stiftung liegt jedenfalls eine 
schwache Seite des Instituts begründet, daher denn auch Partikularrechte zu ver- 
schiedenen Auskunftsmitteln gegriffen haben, welche der eventuell eintretenden Noth- 
wendigkeit einer Veräußerung ausnahmsweise Rechnung tragen. Das Preuß. R. 
gestattet eine Aenderung des F.statuts, sowie Veräußerungen und Belastungen des 
F.vermögens durch einstimmig gefaßten und von der Fideikommißbehörde genehmigten 
Familienschluß. Bei gewissen Verfügungen, so bei Umtausch oder Veräußerung von 
Parzellen, Anlegung und Einziehung von Fideikommißkapitalien, Aufnahme noth- 
wendiger Darlehen auf die Fideikommißeinkünfte braucht der Inhaber sich nur der 
Zustimmung zweier bestimmter Anwärter zu versichern. 
Aus der Tendenz der Stiftung, dem Geschlechte für alle Zukunft die ökono- 
mische Basis seiner sozialen Stellung zu verschaffen, geht die positive Verpflichtung 
des jeweiligen Inhabers hervor, das Gut sammt Zubehör in gutem Stande zu er-
	        
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