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der Englischen Republik zur Einführung polizeilicher Standesregister (anno 1653)
blieb ohne Folgen. Auch in Deutschland hat die Reformation die ältere Grund-
auffassung der Kirchenbücher als einer rein kirchlichen Einrichtung noch nicht geändert.
Eine zweite Entwicklungsstufe kann als die Führung der Kirchen-
bücher unter gesetzlicher Normativbestimmung bezeichnet werden. Sie
beginnt verhältnißmäßig früh in Frankreich mit den Ordonnances Villers Coteret
von 1539 und späteren königlichen Verordnungen, denen freilich eine genügende
Kontrole der Ausführung fehlte, so daß der Ausbruch der Revolution später einen
nichts weniger als musterhaften Zustand vorfand. In England ergingen seit
Wilhelm III. und unter Georg III. verschiedene Statuten, welche Taufen, Trauungen
und Beerdigungen mit einer Stempelabgabe belegen und nur zu diesem Zweck einer
staatlichen Kontrole unterwerfen. Erst im Jahr 1812 wurde durch Sir Rose's
Statute 52. Geo. III. c. 146 eine ausführliche Ordnung für die Führung und Auf-
bewahrung der Kirchenbücher und die Zusammenstellung von Gesammtbverzeichnissen
bei der bischöflichen Behörde vorgeschrieben. Die Ausführung ist indessen wegen
Mangels staatlicher Kontrole überaus unzuverlässig geblieben. In Deutschland
konnte nach Lage der staatlichen Verhältnisse nur eine partikulare Einwirkung der
weltlichen Obrigkeit eintreten. Wir finden nach dem Reformationszeitalter zunächst
in den Städten das Bestreben, unter Einwirkung des Raths den Geburts= und
Todtenregistern eine geregeltere Gestalt zu geben, unverkennbar in Folge des stärkeren
Bedürfnisses beweisender Urkunden für das Gemeindebürgerrecht und für die städti-
schen Erbverhältnisse. Die eigentliche Territorialgesetzgebung beginnt aber erst um
die Mitte des 18. Jahrhunderts. Vom Standpunkt des Wohlfahrts-
staats aus und im Interesse der Feststellung der Bevölkerungszahl wird eine Ver-
pflichtung zur regelmäßigen Führung solcher Register für alle Konfessionen aus-
gesprochen, deren Inhalt näher vorgeschrieben und eine staatliche Oberaufsicht über
die Führung derselben eingeführt. Ein Muster dieser Gesetzgebung bietet Oester-
reich in dem Dekret vom 10. Mai 1774 und in dem Patent vom 20. Febr. 1784.
Die Register (Matriken) werden bei Katholiken wie bei anderen Konfessionen von
den Geistlichen geführt, unter Aufsicht geistlicher Behörden, Das Gesetz schreibt aber
die Rubriken und die Art und Weise der Eintragung nach gleichen Formularen
vor, welche als foliirte und besiegelte Kirchenbücher von der weltlichen Bezirks-
behörde den Geistlichen ausgehändigt werden. Die weltliche Oberbehörde beansprucht
ein Recht der Kenntnißnahme und Kontrole über die gesetzmäßige Eintragung.
Durch die spätere Gesetzgebung ist auch die Anfertigung von Abschriften und das
Formular der Jahrestabellen und Summarien näher bestimmt. Die Preuß.
Gesetzgebung giebt nur unvollständige Normativbestimmungen, beschränkt auf die
vom Staate anerkannten Konfessionen, deren Kirchenbücher allein den öffentlichen
Glauben zu beanspruchen haben. Für die Dissidenten führt erst das Patent vom
30. März 1847 eine gerichtliche Beglaubigung der Register ein, für die Juden die
Verordnung vom 23. Juli 1847 eine gerichtliche Führung der Register. In der
Rheinprovinz blieb die Franz. Gesetzgebung über diese Materie in Kraft. Unverkennbar
war es das Widerstreben gegen Einführung der Civilehe, welches die Mehrzahl der
Deutschen Gesetzgebungen auf diesem halben Wege stehen bleiben ließ.
Die dritte Entwicklungsstufe, die Einführung vollständiger, überall
gleicher Civilstandsregister unter alleiniger Autorität der Staatsgewalt,
beginnt seit 1791 in Frankreich. Es war ein Nothstand, der völlige Umsturz der
historischen Kirchenverfassung, welcher in dem Gesetz vom 20. Septbr. 1791, —
später erweitert in dem Gesetz vom 28. Pluviose an VIII., — durchgreifend die
Führung der Standesregister den Gemeindevorständen übertrug. Der Maire führt
solche im Staatsauftrag als officier de P’état eivil. Die Eintragung ist obligatorisch
unter strengen Strafbestimmungen für unterlassene Anzeige und unrichtige Eintragung.
Sie gilt nicht mehr als Beglaubigung eines kirchlichen Akts, sondern als selbst-