Amtsgerichte. 91
Das GVG. bestimmt in § 22: „den A. stehen Einzelrichter vor. Ist ein A. mit
mehreren Richtern besetzt, so wird einem derfelben von der Landesjustizverwaltung
die allgemeine Dienstaufsicht übertragen. Jeder Amtsrichter erledigt die
ihm obliegenden Geschäfte als Einzelrichter.“ Hiernach können bei
einem A. mehrere Amtsrichter angestellt werden, und die Geschäftsvertheilung unter
denselben kann bald mit Rücksicht auf lokale Verhältnisse innerhalb des Al bezirkes,
bald mit Rücksicht auf die verschiedenen Arten der Geschäfte unter die mehreren
Amtsrichter vertheilt werden; — aber für die A. ist im Allgemeinen das Prinzip
der Kollegialität ausgeschlossen. Nur da, wo das A. als erkennendes Strafgericht,
d. h. als Schöffengericht thätig wird, ist das Prinzip, daß jeder Amtsrichter die
ihm obliegenden Geschäfte als Einzelrichter erledigt, ausgegeben, und an dessen
Stelle das Prinzip der Kollegialität anerkannt worden. 5
I. Zuständigkeit der A. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.
1. Die A. sind zuständig für die Entscheidung derjenigen vermögensrechtlichen
Rechtsstreitigkeiten, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswerth die Summe von
dreihundert Mark nicht übersteigt. Der Werth des Streitgegenstandes wird im
Allgemeinen von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt — wennschon auf
dieses Ermessen die Angaben der Parteien, resp. ein Beweis derselben oder die Be-
gutachtung von Sachverständigen nicht ohne Einfluß bleiben wird. — Für die
Werthbestimmung des Streitgegenstandes bei einzelnen Arten von vermögensrecht-
lichen Ansprüchen, wie z. B. des Werthes einer Grunddienstbarkeit; des Bestehens
oder Nichtbestehens resp. der Dauer eines Pacht= oder Miethverhältnisses; des Rechts
auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen, hat die CPpO. besondere Vorschriften
getroffen (vgl. §§ 3—9). Wenn festgestellt ist, daß bei vermögensrechtlichen
Rechtsstreitigkeiten der Werth des Streitgegenstandes die Summe von dreihundert
Mark nicht übersteigt, so bleibt die Zuständigkeit des A. dennoch ausgeschlossen,
wenn Rechtsstreitigkeiten einer bestimmten Art, wie z. B. Ehesachen, Ansprüche
gegen Reichsbeamte wegen Ueberschreitung ihrer amtlichen Befugnisse, ohne Rücksicht
auf deren Werth der Zuständigkeit der Landgerichte zugewiesen sind (vgal. die Art.
Gerichtsverfassung und Landgerichte).
2. Ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes sind der Zuständig-
keit der A. zugewiesen:
Streitigkeiten zwischen Vermiethern und Miethern von Wohnungs= und an-
deren Räumen wegen Ueberlassung, Benutzung und Räumung derselben sowie
wegen Zurückhaltung der vom Miether in die Miethsräume eingebrachten Sachen;
Streitigkeiten zwischen Dienstherrschaft und Gesinde, zwischen Arbeitgebern und
Arbeitern hinsichtlich des Dienst= und Arbeitsverhältnisses sowie Streitigkeiten,
welche während der Dauer eines Dienst-, Arbeits= oder Lehrverhältnisses entstehen
(Gewerbe O. § 108);
Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirthen, Fuhrleuten, Schiffern, Flößern
oder Auswanderungsexpedienten in den Einschiffungshäfen, welche über Wirthszechen,
Fuhrlohn, Ueberfahrtsgelder, Beförderung der Reisenden und ihrer Habe und über
Verlust und Beschädigung der letzteren sowie Streitigkeiten zwischen Reisenden und
Handwerkern, welche aus Anlaß der Reise entstanden sind; Streitigkeiten wegen
Viehmängel, wegen Wildschadens; Streitigkeiten wegen Ansprüchen aus einem
außerehelichen Beischlafe (G G. § 23). »·
3. Zur Zuständigkeit der A. gehört sodann die Vornahme solcher gerichtlicher
Handlungen, die nicht sowol die Entscheidung einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit,
als vielmehr die Sicherstellung von Rechten zum Zwecke haben. Hierher gehören
die folgenden Fälle: »
a) Das A. ist zuständig für das Aufgebotsverfahren. Handelt es sich
bei diesem um eine gerichtliche Aufforderung zur Anmeldung von Ansprüchen oder
Rechten mit der Wirkung, daß die Unterlassung der Anmeldung einen Rechtsnach-