164 Prisengerichte.
Verordnung des Norddeutschen Bundes vom 18. Juli 1870; ist aber bis jetzt ohne
Resultat geblieben.
Die P. werden von dem kriegführenden Souverän für die Dauer eines Krieges
organisirt; und zwar vermöge seiner Kriegsherrlichkeit durch jederzeit widerruflichen
Amtsauftrag. Bald sind es Spezialkommissionen, bald sind bestehende Behörden
verfassungsmäßig zu kommittiren. Im Namen des Souveräns und auf Grund seiner
Reglements, der Landesgesetze, demnächst der etwa maßgebenden Staatsverträge, subsidiär
des gemeinen Völkerrechts haben sie über die Legalität der Prisen zu erkennen; sie
sind demnach immer nur als Landesgerichte anzusehen, obwol rein völkerrechtliche
Verhältnisse ihrer Kognition unterliegen. Der bei dieser Sachlage erklärliche Wunsch,
der Prisenjurisdiktion allseitige Anerkennung unparteiischer Rechtsprechung zu sichern,
hat Versuche angeregt, an Stelle bloßer Nationalbehörden internationale Kommissionen
einzusetzen, wie solche z. B. früher zur Aburtheilung der Sklavenschiffe bestanden.
Dergleichen mixed commissions sind aber bis jetzt nur für einzelne Streitfälle, ins-
besondere zur Revision prisengerichtlicher Urtheile ins Leben getreten.
Die Geschichte der Prisenjurisdiktion hängt enge mit der des Kapereiwesens
zusammen; mit ihm reicht ihr Ursprung in das Mittelalter zurück. Gleichwie der
Privatkrieg zur See an Markebriefe und Kautionen geknüpft wurde, so unterwarf
man auch die in demselben gemachte Seebeute hinsichtlich des Thatbestandes, der
Legitimation des Nehmers, der Nationalität des genommenen Gutes amtlicher Kon-
trole. Diese wurde in alter Zeit bei den Seemächten durch Offiziere der Admiralität
geübt. Nach dem Vorgange Frankreichs ist man dann bestrebt gewesen, besondere
Behörden mit der Entscheidung, ob die unter Autorisation des Staates erfolgten
Kapturen völkerrechtlich gemacht seien, zu betrauen. In Frankreich wurde seit 1659
jedesmal eine Staatsrathskommission mit der Entscheidung in Prisensachen betraut;
Napoleon I. organisirte 6. Germinal VIII einen conseil des prises mit dem Sitze
in Paris und mit Appellation an den Staatsrath (seit 1806); er wurde durch
Napoleon III. 18. Juli 1854 und 19. Mai 1859 erneuert. Am 17. Okt. 1870
wurde in Bordeaux ein conseil provisoire des prises eingerichtet. In Großbritannien
wird als prize court für jeden Krieg nunmehr (seit der Gerichtsreform von 1873)
bestellt die Probate Divorce and Admiralty division der High Court of Justice
mit Appellation an die Justizkommission des privy council. In Nordamerika ist
die Prisengerichtsbarkeit den ordentlichen Gerichten in Seesachen, also den district
courts, circuit courts und in dritter Instanz der supreme court übertragen. In
Preußen etablirten die Reglements vom 20. Juni 1864 einen Prifenrath (Präsident,
sechs Mitglieder nebst Staatsanwalt) mit Appellation an einen Oberprisenrath.
Kompetenter Prisenrichter ist nach anerkanntem völkerrechtlichen Her-
kommen lediglich der Souverän, in dessen Namen die Prise gemacht ist. Denn
ihm allein gebührt die Entscheidung und Verantwortung, in welchem Umfange er
durch sein Konfiskationsrecht Gebrauch zu machen habe. Daher bestimmt die Kom-
petenz des P. sich niemals durch die Nationalität des genommenen Schiffes oder
Gutes; ebensowenig durch die des neutralen Hafens, in dem etwa die Prise auf-
gebracht wird (sofern überhaupt der Kaptor dort Zulassung findet), und wäre es
auch ein Hafen ihres eigenen Heimathsstaates. Denn der einmal begründete Gerichts-
stand des Nehmestaates kann nicht darum an einen fremden Staat übergehen, weil
dessen Gebiet berührt wird. Nur dann, wenn die Kaptur eine Rechtsverletzung des
neutralen Staates involvirt, z. B. in seinem Territorialwasser oder durch dessen
Mißbrauch zu illegalem Angriff oder durch ein nicht legitimirtes Schiff erfolgt, wird
dieser stets befugt sein, die Freigebung des widerrechtlich genommenen Schiffes, das
sich unter seiner Botmäßigkeit befindet, nöthigenfalls zu erzwingen. Immer aber
können P. von den kriegführenden Mächten nur innerhalb des eigenen Staatsgebietes
gültig errichtet werden. Ihre Etablirung in neutralen Häfen, durch Delegation
dortiger Agenten und Konsuln etwa, ist nicht statthaft; weder läßt das bestehende