Reallasten. 265
des belasteten Besitzers (servitutes in faciendo) aufzufassen seien, sind jetzt wol
allgemein als unrichtig erkannt. Dagegen bestehen nunmehr hauptsächlich zwei
extreme Theorien, von denen die eine (v. Gerber, Savigny, Stobbe u. A. m.)
in den R. reine Forderungsrechte erblickt, die nach Art der Röm. actiones in rem
scriptae sich gegen den Grundbesitzer, als Zustandsverpflichteten, richten sollen,
während die andere (Duncker, Meibom u. A. m.) umgekehrt aus der R. über-
haupt nicht den Besitzer, sondern nur das Grundstück selbst verhaftet sein läßt.
Aber beide Theorien verkürzen das Wesen des Instituts auf entgegengesetzten Seiten.
Als reines Forderungsrecht hat die R. in Deutschland nie gegolten: das zeigt sich
in ihrer Begründung durch Auflassung, in ihrer Verfolgbarkeit mit dinglicher und
mit Besitzklage und in der Gewaltsamkeit, mit welcher die ältere Theorie den Röm.
Hypothek= und Servitutenbegriff auf sie anzuwenden strebte. Andererseits bindet die
R. ebensowenig lediglich das (personifizirte) Grundstück, sondern gewährt auch eine
Exekution gegen die Person des Besitzers. Neuestens ist auch gelehrt worden, die
R. gewähre auf die Leistungen überhaupt kein Recht, sondern diese seien nur in con-
dicione, d. h. der R. berechtigte habe an dem pflichtigen Grundstück volles Eigen-
thum unter einer Suspensiv-, und der belastete Grundbesitzer sein dingliches Nutzungs-
recht unter einer Resolutivbedingung (L. Mann). Und diese Lehre ist sogar als
des „Räthsels Lösung oder die Entdeckung der Nilquellen“ begrüßt worden (Pözl's
Krit. Vierteljahrsschr. XII. S. 124). Allein es war doch sicherlich nicht die Auf-
fassung des Deutschen Volkslebens, daß der Gutsherr auf die Frucht= und Dienst-
leistungen des Bauern eigentlich gar kein Recht habe, und ebensowenig entspricht es
dem Rechtsbewußtsein, daß fast das gesammte Deutsche Grundeigenthum viele Jahre
hindurch theils fuspensiv, theils resolutiv bedingt in der Schwebe gewesen sein sollte.
Hiernach wird denn auch dieser Versuch aufzugeben und vielmehr eine Mittelmeinung
anzunehmen sein (v. Wächter, Beseler, J. Unger), welche die R. für ein ge-
mischtes Institut erklärt und innerhalb desselben dingliche und obligatorische Elemente
sondert. Danach ist das Recht in seiner Totalität dinglich, also nur auf die für
solche Rechte bestimmte Weise (Eintragung) zu begründen, mit einer actio in rem
auf Anerkennung verfolgbar, des Besitzes fähig 2c. Aus diesem Rechte aber folgen
zugleich die Ansprüche auf die einzelnen Leistungen als persönliche, die eben darum
mit besonderen Klagen ausgestattet, aber auch einer besonderen Verjährung unter-
worfen sind 2c. Nach dieser Feststellung gestalten sich die einzelnen Punkte folgender-
maßen: II. Als Entstehungsgründe galten früher Rechtssatz, Privatrechtsgeschäft und
Ersitzung. Von diesen Gründen ist der erste heutzutage nicht mehr in Wirksamkeit,
weil die Gesetzgebung überall in umgekehrter Richtung auf die Abschaffung der R.
hinarbeitet. Vgl. für Preußen Gesetze vom 2. März 1850 und vom 3. April 1869.
Die Privatwillkür, insbesondere der Vertrag, kann zwar nicht ohne jede Form, wol
aber in der Weise noch heute R., soweit sie herkömmlich sind, neu erzeugen, daß
die an Stelle der Auflassung getretene Eintragung in öffentliche Bücher, resp. ge-
richtliche Anmeldung und Bestätigung des Geschäfts beobachtet wird. Endlich die
Ersitzung wird zwar wenigstens als außerordentliche von 30 Jahren noch heutzutage
vielfach für zulässig gehalten (Seuffert, Arch., IX. 201; XVII. 83, 84), ist aber
doch weder gewohnheitsrechtlich, noch durch Analogie der Servituten zu rechtfertigen
(Seuffert, Arch., XII. 290; XV. 40): wogegen aus unvordenklicher Dauer die
gewohnte Vermuthung auch hier Platz greift (vgl. L. Duncker, Die Lehre von
den R., § 29). Eine Uebertragung der R. auf ein anderes, als das ursprünglich
berechtigte Subjekt, wird durch Rechtsgeschäft ebenso, wie die Neubegründung be-
wirkt; nur über Kirchenzehnten bestimmt besonderes c. 1 in VIto de praescript.
2, 13. Eine Umwandlung dagegen, sei es, daß die R. fixirt, d. h. aus quantitativ
unbestimmten in bestimmte, sei es, daß sie adärirt, d. h. aus Natural= oder Dienst-
leistungen in Geldzahlungen umgesetzt werden, findet nicht blos durch Vertrag
der Interessenten, sondern besonders häufig auch durch gesetzliche Verfügung statt.