400 Reichskriegsschatz.
II. Der R. 1) Die Einnahmequellen. Aber obgleich der Nutzen der In-
stitution sich auf das Evidenteste erwiesen hatte, und obgleich für den größten Theil
des Reichsgebietes ein Staatsschatz in unangreifbarer gesetzlicher Gültigkeit bestand,
obgleich man endlich nach einem siegreichen Kriege über reiche Geldmittel gebot, so
ist doch die Uebertragung der Institution auf das Reich nur nach schweren Kämpfen
erfolgt. Und zwar ist dabei viel weniger der Gesichtspunkt des Nutzens oder der
Nothwendigkeit eines Staatsschatzes an und für sich, als vielmehr der Umstand
schließlich entscheidend gewesen, daß der Preußische Staatsschatz eine nicht leicht zu
beseitigende gesetzliche Existenz hatte. Insbesondere hatte sich die Kommission nur
zu einer einmaligen Bewilligung, wenn auch nicht unter einem terminus ad quem,
aber nur unter Voraussetzung des Wegfalls des Preußischen Staatsschatzes, nicht aber
zu einer dauernden Institution mit selbständigen Einnahmequellen verstanden. Um
diese Frage drehte sich der parlamentarische Kampf. In demselben hat die Regie-
rung insofern den Sieg davon getragen, als der § 2 des Gesetzes, betr. die Bildung
des R., vom 11. November 1871 dahin gefaßt ist, daß, bei eingetretener Vermin-
derung des Bestandes, bis zur Wiederherstellung desselben der R. ergänzt werden
solle durch Zuführung der aus anderen als den im Reichshaushaltsetat aufgeführten
Bezugsquellen fließenden Einnahmen des Reichs und im Uebrigen nach der darüber
durch den Reichshaushaltsetat zu treffenden Bestimmung. Indessen war dieser Sieg
der Regierung, wenn man sich diese selbständigen Einnahmequellen genauer ansieht,
doch mehr ein scheinbarer; das Prinzip, wonach die Füllung des Staatsschatzes un-
abhängig sein solle von parlamentarischen Bewilligungen, ist zwar gerettet, diese
Einnahmegquellen an sich aber sind höchst problematischer Art, und es ist demnach
der R. in dieser Hinsicht sehr viel ungünstiger gestellt als bisher der Preußische
Staatsschatz. So sehr man nämlich die Preußischen Bestimmungen vor Augen
gehabt hat, so konnte doch von Verwaltungsüberschüssen von vornherein keine Rede
sein, da über diese der Art. 70 der Reichsverfassung bereits verfügt hatte; was aber die
zufälligen Einnahmen betrifft, die zwar in einem Staatswesen mit großem Besitz
erheblich sein können, so reduziren sich diese für einen Staat wie das Reich sofort
auf einen geringen Betrag. Dieser aber wird noch dadurch erheblich eingeschränkt,
daß der Ausdruck zufällige Einnahmen als ein zu schwankender ganz vermieden und
nur von solchen Einnahmen die Rede ist, deren Bezugsquellen im Reichshaushaltsetat
nicht aufgeführt sind; denn es ist nun bei der jetzigen Fassung kaum in Abrede zu
stellen, daß nicht etwa das Plus der im Etat aufgeführten Einnahmequellen, wie
z. B. später eingehende, kreditirt gewesene Steuern, in den R. fließen, da es sich in
diesen und anderen zahlreichen Fällen nur um Einnahmen handelt, die in der That
den im Etat aufgeführten Bezugsquellen ihre Entstehung verdanken; es ist ferner
zuzugestehen, daß auch die Einnahmen von veräußerten Vermögensobjekten nicht ohne
Weiteres dem R. zufließen, da unter der Bezeichnung „Einnahmen von veräußerten
Vermögensobjekten“ sich ein Titel im Budget findet. Es lassen sich unter diesen
Umständen überhaupt schwer Fälle konstruiren, in denen eine Einnahme dem R. ohne
Weiteres zufließt, man wird sich auf solche Möglichkeiten beschränken müssen, daß
Jemand das Reich zum Erben seines Vermögens einsetzt, auf Fälle, die kein Mensch
vorher sehen konnte, die als reine Glücksfälle sich darstellen. Dahin gehört aller-
dings auch eine Kontribution im Falle eines glücklichen Krieges, und es mag hier
die Thatsache festgestellt werden, daß in solchem Falle nach der übereinstimmenden
Meinung der hervorragendsten Redner die Füllung des R. ohne besondere Zustim-
mung des Reichstages stattfinden würde. Uebrigens aber, und namentlich also im
Falle eines unglücklichen Krieges, ist man auf die periodischen Jahresbewilligungen
des Reichstages verwiesen, und diese gesetzliche Zusicherung einer Wiederfüllung des
R. hat wieder nur theoretischen Werth. Denn wenn auch aus dieser Bestimmung
dem Reichstage allerdings die staatsrechtliche Verpflichtung zu derartigen Bewil-