Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1468 gZurechnungsfaͤhigleit. 
alle Momente, welche den Schlaf besonders tief machen (Schlaf vor Mitternacht, 
lange Entbehrung, große Ermüdung, Genuß geistiger Getränke, heiße Schlafstube rc.). 
Veranlassende Ursachen sind schreckhafte Träume oder plötzliches Erwecktwerden durch 
Dritte. Die Handlungen der Schlaftrunkenheit können keine prämeditirten sein, 
müssen den Charakter unbewußter, zufälliger an sich tragen, zeitlich in den Moment 
des Aufwachens oder Erwecktwerdens fallen. Das Schlafwandeln ist ein Zustand, 
in welchem bei aufgehobenem Selbst= und Weltbewußtsein motorische Akte durch 
Traumvorstellungen hervorgerufen werden. Es giebt Fälle in der Literatur, wo 
diese jedenfalls automatischen und unbewußten Handlungen kriminelle waren (Tödtung, 
Diebstahl). Schlafwandeln ist ein Nervenleiden, das wol nur Theilerscheinung einer 
allgemeinen krankhaften Störung im Nervensystem (Epilepsie, Hysterie, status nervosus) 
ist, sich vorzugsweise im jugendlichen Alter (Pubertätszeit) findet. Die Anfälle können 
zu bestimmten Zeiten sich wiederholen. Kombinirte Handlungen find in denselben 
möglich. Die Erinnerung für das im Anfall Geschehene fehlt gänzlich oder dieses 
kommt dem Betreffenden geträumt vor. 
Die häufige Wiederkehr der Anfälle, die Zeichen eines allgemeinen Nervenleidens, 
das eigenthümliche Verhalten der Erinnerung sichern die Diagnose. 
2) Die Intoxikationszustände. Vielfach werden unfreie Geisteszustände 
von kurzer Dauer durch Exzesse im Genuß von Alkohol und narkotischen Stoffen 
hervorgebracht. 
Schon der einfache Rausch ist ein künstlich herrvorgebrachtes Irresein und höhere 
Grade desselben („Bewußtlosigkeit“) heben die rechtliche Verantwortung auf. Es ist 
hierbei nur zu berücksichtigen, daß ein Zustand von sinnloser Betrunkenheit nicht die 
Möglichkeit ausschließt mit der Außenwelt in Verkehr zu treten. 
Von der größten Wichtigkeit ist ferner die Thatsache, daß ein Alkoholexzeß beie 
besonderen Dispositionen oder Zusammentreffen gewisser ätiologischer Momente einen 
Anfall akuter Geistesstörung (mania ebriorum acutissima) herbeiführen kann, der 
dann nicht mit einem gewöhnlichen Rausch zu verwechseln ist. 
Prädisponirende Momente für die Entstehung solcher Zustände sind häufig Ab- 
stammung von irrsinnigen, epileptischen oder trunksüchtigen Erzeugern. Die Prädis- 
position ist dann angeboren. Erworben wird sie durch Kopfverletzungen, schwere Hirn- 
krankheiten aller Art, erschöpfende Krankheiten, wie Typhus. 
Aber auch ohne Disposition kann diese Manie durch zufällig mit der Alkohol-- 
wirkung zusammentreffende und diese steigernde Umstände (Gemüthsbewegungen, 
körperliche Anstrengung, große Hitze, nüchterner Magen, Beimischung narkotischer 
ätherischer Stoffe zum Getränk) zu Stande kommen. Als Unterscheidungsmerkmale 
dieses Zustandes von einem gewöhnlichen Rausch können dienen: a) Menge des Ge- 
tränks und Wirkung stehen in keinem Verhältniß, eben weil innere organische oder 
außergewöhnliche okkasionelle Bedingungen die Erregbarkeitsfähigkeit des Gehirns 
für den Alkoholreiz veränderten. b) Die akute Psychose bildet häufig nicht das 
Höhestadium einer stufenweise fortschreitenden Berauschung, sondern tritt primär, 
plötzlich auf, oder es liegt zwischen Exzeß und Ausbruch ein bis Stunden dauerndes 
Stadium latenter Hirnkongestion, bis erst durch ein accidentelles Moment, in der 
Regel einen Affekt, die Psychose nachwirkend zum Ausbruch kommt. c) Der Zu- 
stand unterscheidet sich auch qualitativ vom gewöhnlichen Rausch, indem es hier zu 
systematischem Delirium, Sinnestäuschung und maniakalischen Ausbrüchen kommt. 
d) Dazu kommen Erscheinungen heftiger Kopfkongestion, oft Zähneknirschen; die Be- 
wegungen sind nicht unsicher, wie beim Berauschten, sondern kraftvoll, sicher unter 
dem Einfluß der maniakalischen Hirnreizung. e) Die Erinnerung für die ganze An- 
fallsdauer ist aufgehoben. 
Nicht selten erzeugen fortdauernde Alkoholexzesse auch ein bis etwa 8 Tage an- 
dauerndes Delirium, das sog. delirium tremens, dessen charakteristische Symptome
	        
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