Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

170 1870. Verträge. 
hat und welche heute so wirksam und mächtig angeredet worden ist von dem 
Abgeordneten Herrn Windthorst, (Heiterkeit.) daß diese Instanz mit den vielen 
Mängeln, die sie in dem Vertrage befriedigen, auch die Vorzüge kennen 
lernen werde, glaube ich doch der öffentlichen Meinung schuldig zu sein, da- 
mit Deutschland das Dargebotene nicht unterschätze, die mannigfachen Mo- 
mente der Einigung übersichtlich zusammen zustellen. Mit gleichem Nachdruck 
werde ich daneben die Mängel bezeichnen, deren Besserung ich so sehnlich 
zwischen jetzt und der dritten Lesung wünsche, in genauer Scheidung von den 
Reformen, welche ich der Zukunft anvertraue. Vor allem entfernt wünsche 
ich aus der Verfassung diejenigen Mängel, welche der Entwicklung des Bundes 
und seiner Wohlfahrt geradezu schädlich sind, ohne daß sie irgend einem Theile 
Nutzen bringen. Denn, genau betrachtet, bringt keinem Theile Deutschlands 
Nutzen, was zum Schaden des ganzen Deutschlands gereicht. Ich beklage 
tief die peinliche Fürsorge, mit welcher die baierischen Redaktoren in dem 
Hauptvertrage und im Schlußprotokoll auf kleinliche Vortheile bedacht ge- 
wesen sind. Ich sehe die baierischen Redaktoren beherrscht von einem Miß- 
trauen ohne Gleichen, als ob sie Bündnisse abschlössen mit Staaten, welche 
sie um jedes einzelne Recht, was ihnen vorbehalten wird, zu prellen geneigt 
sein würden, als lschlössen sie Bündnisse mit Staaten, welche die besonderen 
Verhältnisse Baierns bei der Gesetzgebung gar nicht in Betracht ziehen wür- 
den. Dieser peinlichen Furchtsamkeit ist die wunderliche Bestimmung zuzu- 
schreiben, daß das Immobiliar-Versicherungsrecht nicht für Baiern ver- 
pflichtend werden dürfe ohne die Zustimmung Baierns; eine neue Kategorie 
von Verhandlungen über Bundesgesetze, die weder zum Ausschuß über Kom- 
petenz gehört, noch sonst einen Vortheil darbietet, als Sicherheit dagegen, 
daß nicht der Reichstag und der Bundesrath des deutschen Reiches sich ver- 
schwören, Baiern ein schlechtes Spezialgesetz aufzuerlegen. Meine Herren, in 
dem Vertrage mit Baiern finde ich Punkte, in denen Baiern jede Gemein- 
samkeit ausgeschlossen, Punkte, in denen [Baiern nur eine beschränkte Gemein- 
samkeit anerkannt, und Punkte endlich, welche Baiern sich selbst vorbehalten 
hat, gewissermaßen als Vor= und Ehrenrechte vor allen übrigen Bundes- 
staaten, zum Theil sogar als Vor= und Ehrenrechte vor Preußen. Nicht ge- 
meinsam hat Baiern die Gesetzgebung und die Aufsicht über das Heimath- 
wesen und über das Niederlassungsrecht, von welchem Ausschluß wir eine 
sehr weit gedehnte Folge bereits im Nachtragsprotokoll lesen, und die ganze 
Tragweite der Folgen können wir in diesem Augenblicke noch nicht beur- 
theilen. Nicht gemeinsam hat Baiern ferner die Verwaltung der Post und 
der Telegraphen, und dies Einnahmen, welche aus diesen beiden Departements 
entspringen, die Aufsicht über das Eisenbahnwesen und gewisse Normen, 
welche zu dieser Aufsicht gehören, die Bier= und Branntweinsteuer, und end- 
lich die Verwaltung des Militärwesens innerhalb bestimmter vorgezeichneter 
Grundzüge, und das Militärbudget in den einzelnen Etats, während es die 
Gesammtsumme des Militäretats mit dem übrigen Bunde gemeinschaftlich
	        
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