Verfassung. Art. 3. Antrag Wiggers. Wiggers. 243
Lerjassung aufzufassen ist. Ich neune es Karrikatur, wenn 21 Abgeord-
nete find und darunter befinden sich drei Pastoren die von den zwölf
eder fünfzehn Pastoren des Landes gewählt werden, drei Dominialpächter
und dann noch die drei Rittergutsbesitzer, welche in dem Lande existiren.
Meine Herren, die Verfassung ist so wenig annehmbar für das Volk ge-
wesen, daß das Land lieber verfassungslos bleiben will, als eine solche
Verfassung sich gefallen lassen. Sie würden also durch Annahme meines
Antrages auch das erreichen, daß für Ratzeburg etwas geschaffen wird.
Dann, meine Herren, ist es aber auch gar kein specifisch mecklenburgischer
Antrag, und zwar aus dem Grunde, weil er zu gleicher Zeit bezweckt, das
bestimmte Maß festzusetzen, welches unter allen Umständen für die deut-
scken Verfassungen festgehalten werden soll, daß also auch in einer Zeit
der Reaktien gewissermaßen ein Riegel vorgeschoben wird, damit die Ver-
fafsungen nicht weiter rückwärts revidirt werden können als unter Fest-
haltung bestimmter Voraussetzungen und bestimmter konstitutioneller Prin-
cipien. Schließlich, meine Herren, will ich mich für meinen Antrag auf
die Auterität des Herrn Bundeskanzlers selbst berufen. Der Herr Bundes-
kanzler hat im Constituirenden Reichstag von 1867 sich dahin geäußert:
„Sie müssen doch die Regierungen nicht im Verdacht haben und keine der
22 Bundesregierungen, daß sie sich von der historischen konstitutionellen
Entwicklung Deutschlands lossagen wollen." In besonderer Anwendung
auf Mecklenburg sprach der Herr Bundeskanzler im Reichstage von 1869
sich aus') und bemerkte damals: „daß er aufrichtig an der konstitutionellen
Entwickelung und an ihrer Stetigkeit im gesammten Vaterlande hänge
und nicht bestreite, daß die wünschenswerthe Homogenität in Mecklenburg
noch nicht vollständig hergestellt sei.“ Er fuhr daun weiter fort und mo-
tirirte die Ablehnung des damaligen Mecklenburgischen Antrages insbe-
sendere damit, „daß das dankbare Vertrauen, mit welchem er auf die
Stellung des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin blicke, sowohl in
Betreff der Entstehung der Verfassung, als auch in Bezug auf ihre Fort-
bildung, ihn zu der Hoffnung berechtigte, daß der heilende Einfluß der
Zeit ein nicht ganz langsamer sein werde und daß wir nichts verlören,
wenn wir ihm einen möglichst freien Spielraum ließen.“ Meine Herren,
ich bin erfreut gewesen über die Lobsprüche, welche Seiner königlichen
Heheit dem Großherzog von Mecklenburg-Schwerin ertheilt worden sind,
un stimme in dieser Beziehung mit der Ansicht des Herrn Bundeskanzlers
rellständig überein. Aber, meine Herren, ist denn der Großherzog von
Mecklenburg-Schwerin das Hinderniß für die Reform unserer Zustände?
Meine Herren, erinnern Sie sich doch, daß gerade der Großherzog von
Mecklenburg-Schwerin es war, der am längsten in der Zeit der furcht-
bersten Reaktion bis zum Februar 1850 an der konstitutionellen. Verfassung
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*) S. unten bel der Verhandlung 1871.
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