Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

398 Baden. Verhandlungen der ersten Kammer. 
und auch das Allerbedeutendste zu sein: wir erhalten von nun an das sichernde 
und zu gleicher Zeit erhebende stolze Gefühl, Bürger zu sein eines großen 
Staats, das Gefühl einer großen Gemeinschaft, wie sie bisher in der deutschen 
Geschichte niemals dagewesen war. In demselben Maße, wie sich in Folge 
dessen das deutsche Volk erhebt und einen würdigen Platz einnimmt in 
Europa, und in demselben Maße, in welchem das deutsche Reich an Achtung 
gewinnt unter den Völkern, eine hervorragende Stimme führt in dem Rath der 
Völker, in demselben Maße steigt jeder Deutsche eine Stufe höher in seinem 
Leben. Er wird gehoben, empor gehoben durch das Aufsteigen seines Volkes 
und das ist in der That schon an sich ein ganz unschätzbares Gut, zu dem sich 
ganz von selber ein zweites gesellt. Wir sind nun sicher, daß die deutsche 
Nation alle die verborgenen Kräfte, die in ihr ruhen, und die Schätze 
dieser Kraft sind unermeßlich, — jetzt ungehindert und ungehemmt entfalten 
könne, daß sie ihre große Bestimmung erfüllen könne, die ihr von Gott ge- 
setzt ist. Dieser Eine Gewinn ist reichlich der Lasten werth, die allerdings 
auch mit in den Kauf genommen werden mußten. Wir erhalten überdem, 
und das mochte ich noch hinzufügen, ein deutsches Reichsbürgerrecht mit allen 
den Ansprüchen auf Recht und Freiheit, die in diesem Gedanken liegen. 
Jencs Wort, das man früher häufig gehört hat: von Preußen zweiter oder 
gar dritter Klasse hat gar keinen Sinn mehr. Indem wir in dieses Reich 
jetzt eintreten als vollberechtigte Bürger, sind wir deutsche Reichsbürger ersten 
Rangs, nicht zweiten, nicht dritten. Wir haben ferner erhalten, was uns 
bisher immer gefehlt hat: Einbeit des politischen Willens, der politischen 
Führung, daher auch der Diplomatie. In dem Bundeshaupt und in dem 
Bundeskanzler ist diese Einheit personificirt. Wir erhalten Einheit und volle 
Gemeinschaft des Heeres und immer mehr wird sich das preußische Hecr, das den 
Kern bildet des deutschen Heeres, zum deutschen Heere fortbilden. Die gesammte 
deutsche Heeresmacht wird schließlich einen einheitlichen gemeinsamen Charakter er- 
halten und damit wird die volle Stärke des deutschen Staats erreicht sein. Zu- 
gleich hat dieses Heer seiner ganzen Anlage nach nicht einen aggressiven Charakter, 
es ist wesentlich ein Heer, das eine friedliche, nicht eine erobernde Politik 
unterstützen wird. Ebenso haben wir erhalten die Gemeinschaft der großen 
internationalen wirthschaftlichen Interessen, ein einheitliches Zoll-, ein einheit- 
liches Handelssystem, und ich freue mich, daß bei dieser Gelegenheit das 
Zollparlament, das wir während drei Jahren besaßen, untergeht und in eine 
bessere Form übergeht. Es gab im letzten Grunde, — und Jeder wird mir 
das zugeben, der die Verhältnisse etwas näher kennt, — nicht leicht eine un- 
glückseligere Institution als dieses Zollparlament, lediglich mit der Befugniß 
ausgestattet, Steuern zu erheben, aber ohne die Befugniß, zu fragen, wofür 
denn die Steuern nöthig seien, ohne ein Wort mitsprechen zu können bei 
Verwendung dieser Steuern. In der That, die ganze Institution jenes Zoll- 
parlaments hatte nur einen Sinn als Uebergangsinstitution, um wenigstens 
auf dem Gebiete des Zollwesens ganz Deutschland daran zu gewöhnen, eine
	        
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