Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

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unterstütztes gleichfalls verworfen wurde. Es ist auch durchaus nichtkrichtig, 
meine Herren, daß jemals allgemein anerkannt sei, es dürfe kein Vakuum 
entsteten. Man hat nichts anders gesagt, als: es wird kein Vakuum ent- 
siehen, und damit kein Vakuum entsteht, ist der Absatz 3 Artikel 62 gemacht 
werden, wo es heißt: „Bei der Feststellung des Militär-Ausgabeetats wird 
die auf Grundlage dieser Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des 
Bundesheeres zu Grunde gelegt.“ Das heißt mit anderen Worten: es hat 
der Reichstag anerkennen müssen, daß, wenn er auch die Friedenspräsenz- 
stätke durch ein besonderes Gesetz festzustellen hat, und wenn er auch das 
Recht hat, alljährlich im Etatgesetz zu beschließen, was zu verausgaben sei, 
er nichte destoweniger die Verpflichtung hat, den organisatorischen Stand des 
Heeres aufrecht zu erhalten. Man dürfe nicht — hat es gebeißen — das 
Heer der Willkür preisgeben. Wir haben in Baiern, meine Herren, auch 
das Budgetrecht, aber wir in Baiern werden ebensowenig, wie die im Norden, 
wenn wir auch an Ziffern nicht gebunden sind, jemals das Recht haben, 
das k. baierische Heer aus dem Budget auszustreichen. Wir haben die 
Verpflichtung, das Heer organisationsmäßig zu erhalten. Die Ziffer aber 
it rariabel nach Umständen und deswegen jedesmal in dem besonderen 
Etatsgesetz festzustellen. Wollte ich Sie weiter ermüden mit Verhandlungen, 
so könnte ich Ihnen, daß das der Sinn des betreffenden Paragraphen war, 
aus diesen Verhandlungen noch weiter aur inandersetzen; doch ich sehe davon 
ab. Zur Zeit also, meine Herren, besteht im Norden nur die Verpflichtung, 
nach der Ziffer der Friedenspräsenzstärke vom Jahre 1871 die betreffenden 
Beträge in die Bundeskasse einzuzahlen. Da8 Recht der Derausga- 
kung hat der Bundespräsident oder der Raiser nicht. Die Verausgabung 
ist nur durch ein Etatgesetz festzustellen. Dieses Etatgesetz hat der Reichs- 
lag festzustellen und er ist dabei an keine andere Schranke g. unden, ale 
daß er nicht zerstörend in die Organisation des Heeres eingreisen darf. Man 
sagt nun freilich: Ja, wir wissen schon, wenn einmal der Bundeskanzler oder 
der Kaiser das Geld in seiner Kasse haben wird, so wird er es auch aus 
geben. Würde ich, meine Herren, von Thatsachen sprechen, so würde ich 
rielleicht sagen: darin liegt einige Wahrscheinlichkeit. Aber wir haben es 
bier nicht mit Thatsachen zu thun, die allenfalls kommen köunten, sondern 
selange man mir behauptet, es sei rechtlich das eiserne Militärbudget auf 
alle Zeiten festgestellt, so geht es mich nichts an, was der Kaiser und der 
Kanzler in seiner Macht allenfalls thut, sondern ich habe zu untersuchen, 
w#ozu sie das Recht haben. Ein Rech! aber hat der Kaiser nicht und der 
Kanzler nicht über den 31. Dezember 1871 hinaus. Wenn Sic im Hinblick 
auf Preußen von Thatsachen sprechen, daß man die Gelder ausgebe, welche 
einmal in der Kriegskasse sind — eil wie lange ist es denn her, daß wir 
einen baierischen Minister, der einst uns gegenüber saß, einen Kriegsminister, 
gehabt haben, der auch von der Thatsache des Geldausgebens so erklecklichen 
Gebrauch gemacht hat, daß der Mann 10,000 Jahre und mehr hätte alt
	        
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