Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Stanffenberg. 715 
schen Verfassung involvirt aber nur die Befugniß der Regierung, sich diese 
225 Thaler fortzablen zu lassen, nicht aber die Befugniß des Bundesprä- 
sidiums, diese 225 Thaler auszugeben. Ich kann Ihnen das nicht deut- 
licher machen, als wenn ich Ihnen verlese, was ein Hauptgegner dieser Be- 
stimmung, der Abgeordnete von Vincke damals, als diese Bestimmung be- 
rathen wurde, im Norddeutschen Reichstage gesagt hat. Er sagt: „Sie 
haben nur für die Berechnung der Einnahmen die fraglichen 225 
Thaler gesichert, Sie haben nur gesichert, daß die verbündeten Regie- 
rungen genöthigt sind, 225mal 300,C000 Thaler alljährlich auch nach 1871 
in die Bundeskasse ein zubezahlen. Aber der Reichstag wird dann nach- 
her darüber entscheiden, ob diese Summe verausgabt werden soll, und 
wenn der Reichstag sagt, es soll nicht für 300,000 Mann sondern nur für 
200,000 Mann diese Ausgabe geiacht werden, so bleibt etwa ein Drittel 
unbenutzt in der Bundeskasse liegen, es wird über dieses Drittel eben so 
wenig disponirt, wie nach dem klaren Wortlaut der preußischen Verfassung 
über die Einnahmen disponirt werden kann, wenn die Landes-Vertretung 
nicht in Uebereinstimmung mit der Regierung dazu die Zustimmung gegeben 
hat."“ Das ist — darüber besteht in ganz Norddentschland nicht der Schein 
eines Zweifels — der Sinn dieser Bestimmung der Bundesverfassung, aber 
für Baiern, ich wiederhole es noch einmal, gilt sie nicht. Wie gestalten 
sich nun die Rechtsverhältnisse für Baiern? „Baiern verrflichtet sich, für sein 
Contingent und die zu demselben gehörigen Einrichtungen einen gleichen 
Geldbetrag zu verwenden, wie nach Verhältniß der Kopfstärke durch den 
Militär-Etat des Deutschen Bundes für die übrigen Theile des Bundesheeres 
ausgesetzt wird.“ Ich müßte lügen, wenn ich Ihnen sagen wollte, daß mir 
diese Bestimmung des baierischen Vertrags gerade besonders gefällt. Diese 
Bestimmung des baierischen Vertrags, wenn sie nach dem Wortlaute ausgc- 
legt und volljogen werden würde, würde — nehmen Sie mir es nicht übel, 
weun ich das sage — zu einem baren Unsinn führen; sie würde uns (man 
könnte das wenigstens daraus folgern) auch verpflichten, gar keine Erspa- 
rungen zu machen sondern etwas, was wir bei uns billiger machen könnten 
wie im Norden, eben so theuer zu machen. Allein das kann gar nicht der 
Sinn dieser etwas unglücklich abgefaßten Vertragsbestimmung sein. Vor 
Allem, meine Herren, bitte ich Sie, den einen Punkt in's Auge zu fassen: 
Baiern rerpflichtet sich nur, für sein Contingent vom 1. Jannar 1872 an 
die Summe zu verwenden, welche für das Contingent des Norddeutschen 
Bundes oder vielmehr des Deutschen Reiches per Kopf der Bevölkerung aus- 
gesetzt wird. Mau hat nun gesagt und zwar ist z. B. die ganze Berechnung 
des Herrn Abgeordneten Kolb darauf basirt und heißt es in dessen Denk- 
schrift: „Nach der Convention hat dagegen Baiem 48,244 Mann im Frieden 
zu unterhalten, und 225 Thlr. per Kopf zu verwenden.“ Es steht nun in 
dem Vertrage nichts davon, daß Baiern 48,000 Mann im Frieden zu er- 
halten hat, und es steht nichts davon darin, daß es gerade 225 Thaler zu
	        
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