Stauffeuberg. 733
nen sich ungefähr ein Bild davon machen aus dem, was gerade die Abge-
erdneten der kleinern deutschen Staaten letzthin im Reichstage geäußert haben,
— wie diese Bedingungen ausfallen. Ich halte es also in meinem Sinne
allerdings für unmöglich, daß der Zollverein gekündigt wird; aber ich halte
es nicht in ullstracto für unmöglich. Ich halte es allerdings für moglich,
daß sich in diesem Hause eine Drittels-Minorität, vielleicht auch eine Majo-
rität finden wird, welche die ganze Zollvereinsfrage außerordentlich leicht
nimmt und die ganze materielle Entwicklung unseres Landes auf die Karte
eines Programms setzt; aber ich halte es für unmöglich, daß diese Partei
erer Fraktion einen Minister findet, der seinen Namen unter Verfügungen
setzt, welche dieser Politik Ausdruck geben. Das ist unmöglich! Denkbar
meine Herren, denkbar ist Alles, denkbar ist auch daß wir jenem Abgrunde
zutreiben, wohin die Kündigung der Zollvereinsverträge führt und daß wir
dann dem Zustande, der daun eintreten wird, nicht ausweichen können. Ich
kann da nicht mit statistischen Ziffern kommen, und wenn ich es könnte, würde
ich es nicht thun; denn ich würde da ein sehr trügerisches Material haben.
Wir wissen aber Alle das, und wir wissen das ganz bestimmt, daß im
Rahmen des Zollvereins unsere Industrie groß geworden ist, daß sie sich so
entwickelt hat, daß sie in einer Reihe von Branchen selbst der übermächtigen
englischen Industrie entgegentreten könnte, daß sie der durch enorme Zölle
geschützten französischen Industrie entgegengctreten ist, daß auch die Entwick-
lung der Landwirthschaft im Rahmen des Zollvereins im Großen und Ganzen
eine glückliche gewesen ist. Wir wissen aber nicht, welcher Zustand dann
eintreten wird, aber wir können uns annähernd ein Vild daven machen.
Baiern bezieht gegenwärtig aus dem Zollvereine eine Brutto-Einnahme von
11,324,480 fl. Dieser Einnahme stebt eine Ausgabe von 1,894,500 fl. ent-
gegen — ich entnehme diese Ziffern dem letzten Budget, vielmehr dem Budget-
Entwurfe — so daß eine Einnabme von 9,429,920 fl. uns aus dem Jollver-
eine zufließt. Um, meine Herren, diese Berechnung in Prozentsätzen der Steuern
auszudrücken, sind es 948 unserer gegenwärtigen Steuer. Täuschen wir uns keinen
Augenblick! In dem Momente, in dem wir aus dem Jollverein draußen sind,
machen wir unter diese Ziffer einen Strich und schreiben statt so und so viel
benannten Ziffern lauter Nullen, d. h. mit andern Worten wir verzichten auf
diese Einnahme von 9,430,000 fl., wir verzichten auf eine Einnahme, welche
94 Stenerprozent repräsentirt. Man sagt: „Baiern kann ja selbst ein Joll-
gebiet bilden, es kann wenigstens theilweise diese Einnahmen sich verschaffen.“
Meine Herren, es wäre dies vielleicht möglich gewesen, wenn Würtemberg
nicht im Deutschen Reiche wäre, mit Würtemberg ein derartiges Gebiet zu
bilden, obgleich es im höchsten Grade unzweckmäßig gewesen wäre; denn die
Erfabrung hat gezeigt — es hat ja schon einmal ein baierisch-würtember-
gischer Zollverein bestanden — daß die Jollbewachungskosten so enorm sind,
daß ein ungeheurer Theil der Einnahmen davon verschlungen wurde, und
daß finanziell ein solches Experiment sehr schlecht wäre. Aber nachdem Wür-