1. H. Brunner, Quellen und Geschichte des deutschen Rechts. 125
Der Gegensatz zu den Fürsten drängte die Städte zu vereinigtem Handeln. Sie traten
vom 13. Jahrhundert ab zu Städtebündnissen zusammen, die in entscheidender Weise in die
Reichsangelegenheiten eingriffen und die Heranziehung der Städte zu den Reichstagen zur
Folge hatten. So haben die bischöflichen Städte und die auf ursprünglichem Königsgute im
Anschluß an königliche Pfalzen und Burgen erwachsenen Reichsstädte die Reichsstandschaft er-
worben, die dagegen den landesherrlichen Städten versagt blieb. Unter den zahlreichen Städte-
bünden sind aus dem 13. Jahrhundert der große rheinische Städtebund und die Hanse hervor-
zuheben. Jener, zu politischen Zwecken und zur Erhaltung des Landfriedens gegründet, gab
sich 1254 eine feste bundesstaatliche Organisation, hat aber nach kraftvollem Eingreifen in die
Reichspolitik seine Bedeutung rasch wieder verloren, nachdem er durch den Beitritt von Fürsten
und Herren den rein städtischen Charakter eingebüßt hatte. Dagegen war die Hanse eine Ver-
bindung niederdeutscher Städte zu Handelszwecken und zum Schutz des gemeinen deutschen
Kaufmannes im Ausland, welche ohne feste Organisation unter der tatsächlichen Oberleitung
Lübecks dauernde politische Bedeutung erlangte. Ende des 14. Jahrhunderts stellte sich in Süd-
deutschland der schwäbische Städtebund an die Spitze einer politischen Bewegung, die gegen
die übergreifende Macht der Landesherren gerichtet war, aber mit der Niederlage der schwäbischen
(Schlacht bei Döffingen 1388) und der mit ihnen verbündeten rheinischen Städte endigte. Seit
diesem Siege der Landeshoheit tritt ein merklicher Rückgang der städtischen Macht ein. Die
Landeshoheit wird die ausschließliche Basis der deutschen Verfassung, und die Städte fügen
sich ihr als kleinere Territorien von minderer Bedeutung ein, in denen die Landeshoheit den
Stadtobrigkeiten zusteht.
Im Laufe des 14. Jahrhunderts hat sich zuerst in den süddeutschen, später in den nord-
deutschen Städten eine Anderung der Stadtverfassung vollzogen. War vordem das Stadt-
regiment im Alleinbesitz der Vollbürger gewesen, so erreichten die Handwerker durch den Aus-
gang der Zunftkämpfe Zutritt zu den städtischen Amtern und in die Ratskollegien. Wo der
Sieg der Zünfte ein vollständiger war, wurde die Zunftverfassung zur Stadtverfassung, indem
von allen Bürgern der Eintritt in eine Zunft gefordert wurde. Anderwärts wurde dem alten
Rat ein neuer, von den Zünften gebildeter Rat zur Seite gesetzt; oder aber es wurden Zünftige
schlechthin oder nach bestimmtem Zahlenverhältnis in den bisherigen Rat ausgenommen. Der
Umschwung der Verfassungsverhältnisse bekundet sich durch ein verändertes Auftreten der Städte
nach außen hin. An Stelle einer nach patrizischen Traditionen geleiteten, oft engherzigen, aber
stetigen Staatskunst tritt eine etwas sprunghafte und wechselvolle Politik, welche die Nieder-
lagen der Städte gegen Ende des 14. Jahrhunderts zum Teil mitverschuldet hat.
III. Das Strafrecht.
g 42. Das Strafrecht dieser Zeit nährt sich im wesentlichen von den Prinzipien, die die
fränkische Periode erzeugt hatte; anfänglich fand sogar eine rückläufige Bewegung statt, indem
die Volkssitte zum Teil wieder in jene Bahnen einlenkte, aus welchen sie durch die Volksrechte
und das fränkische Reichsrecht verdrängt werden sollte. Die Ausdehnung der öffentlichen Strafen
auf Kosten des Bußensystems, die schon in karolingischer Zeit begonnen hatte, machte weitere
Fortschritte. Mit nachhaltigem Erfolge arbeitete die Landfriedensgesetzgebung in dieser Richtung.
Die Zersplitterung der Gerichtsbarkeit und die zunehmende Schwäche der Reichsgewalt führten
den Ubelstand mit sich, daß die höheren Stände sich der Anwendung des Strafrechts tatsächlich
entzogen und nur innerhalb der Territorien eine kräftige Handhabung der Strafjustiz Platz
greifen konnte.
Unter den strafbaren Handlungen unterschied man Ungerichte und Frevel. Ungerichte
waren die Missetaten, die eine Strafe zu Hals oder Hand, d. h. die Todesstrafe oder eine ver-
stümmelnde Strafe nach sich zogen, Frevel leichtere Vergehen, die zu Haut und Haar bestraft
wurden oder nur eine Vermögensstrafe (Buße und Wette) zur Folge hatten. Doch wird der
Begriff der Ungerichte in manchen Quellen weiter gefaßt, so daß er auch die zu Haut und Haar
strafbaren Fälle in sich schließt und ihm nur die eigentlichen Bußsachen gegenüberstehen. Als
Todesstrafen kennt der Sachsenspiegel den Galgen, die Enthauptung und den Feuertod. Andere
Quellen, namentlich die süddeutschen, zeigen größere Mannigfaltigkeit der Todesstrafen, wie