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In eigentümlicher Stellung befindet sich noch der Freie, der in der Meinung, Sklave
zu sein, dient; und umgekehrt der Sklave, dem die Freiheit winkt, weil er testamentarisch unter
einer Bedingung freigelassen ist (statu liber, D. 40, 7), oder weil die Freilassung dem Erben
sideikommissarisch auferlegt ist (Ulp. 2, 7, 8). Im übrigen kennen die Römer nicht die vielfachen
griechischen Freilassungen mit Dienstverpflichtung (nagato#'), deren Verletzung die resolutiv
bedingte Freiheit aufhebt oder die suspensiv bedingte vereitelt 1. Aber sie statten manche
Klauseln, die ein Sklavenveräußerer dem Käufer oder Beschenkten auflegt, mit dinglicher
Wirkung aus, die den Sklaven und den dritten Eigentümer angeht, am schärfsten die Abrede,
ne serva prostituatur, die sogar unwiderruflich ist und den Veräußerer selbst bindet, sowie
die befristete Freilassungspflicht, die nach Marc Aurel mit dem Termin von selber wirkt ?.
Auch kann in einigen solchen Fällen ein resolutiv bedingter Rückfall des Eigentums ver-
abredet werden (§ 113 a. E.).
§J# 19. Außereheliche Geschlechtsverbindungen. Recht und Gesellschaft üben in Rom
eine weitgehende Duldung gegenüber den außerehelichen Verbindungen, von der wilden Ehe
bis zur Prostitution; nur verpönt man seit jeher Polygamie, Ehebruch und Blutschande, und
seit den Ehegesetzen des Augustus wird der Geschlechtsverkehr mit einer unbescholtenen Römerin,
die man heiraten könnte, als stuprum schwer bestraft. Die Strafe trifft nicht den Konku-
binat? (D. 25, 7, 3, 1), worunter man nunmehr die dauernde Gemeinschaft zwischen Personen
versteht, denen die Ehegesetze wegen mangelnder Ebenburt nicht die Ehe verstatten. Im
übrigen zeichnet sich dieses Verhältnis vor anderen durch sittengemäße Pietät aus, die auf den
Grabdenkmälern oft zu hübschem Ausdruck kommt“", und besonders die Quasiehe mit der Frei-
gelassenen durch soziale Wertschätzung, nicht aber irgend ersichtlich in privatrechtlichen Beziehungen.
Vielmehr stehen Konkubine und Konkubinenkinder bis in die christliche Zeit, die das dann
ändert, den übrigen unehelichen Müttern und Kindern gleich. Die zivile und die prätorische
Familie haben keinen Raum für sie; umgekehrt sind die Erbrechte zwischen Mutter und Kind
von der Ehelichkeit gar nicht abhängig (Ulp. D. 38, 17, 1, 2; 2, 1). Weniger eine Ausnahme
hierwon als eine Abschwächung des Eheverbots für Soldaten ist die Epistula Hadriani (119 n.
Chr.5ö), womit den Soldatenkindern die Erbklasse unde cognati eröffnet wird.
820. Ende der Persönlichkeit". Eine römische Schuleinteilung unterscheidet die Anderung
des Rechtszustandes einer Person (Gai. 1, 159, D. 4, 5, 1) nach drei Graden: capitis deminutio
maxima, Verlust der Freiheit, minor oder media, Verlust des Bürgerrechts, minima, Ande-
rung der Hauszugehörigkeit (Gai. 1, 160; Ulp. 11, 11—13). Alle drei werden grundsätzlich
als bürgerlicher Tod betrachtet (Gai. 3, 153). Die daraus folgende Erlöschung aller Rechte
und Pflichten des betroffenen Individuums muß aber oft als unangemessen korrigiert werden.
Zugunsten eines in Kriegsgefangenschaft geratenen Römers? wird gewartet, solange die Rück-
kehr in den römischen Machtbereich möglich ist und soweit es praktisch ohne zu große Beein-
trächtigung dritter durchgeführt werden kann. Dem Rückkehrenden leben jure postliminü
die früheren Rechtsstellungen, auch väterliche Gewalt und Eigentum wieder aufj; die tatsäch-
lichen Verhältnisse, wie Besitz und Ersitzungslauf (Jav. D. 41, 2, 23, 1; Pap. D. 4, 6, 19) oder
die freie Ehe (Pomp. D. 49, 15, 14, 1; Paul. D. 24, 2, 1) können freilich nur neu begonnen
werden. Stirbt der Captivus bei den Feinden, so ist durch eine Lex Cornelia die Fiktion
verordnet, daß Erbgang und gesetzliche Vormundschaft über die sui (§ 10) eintreten sollen, als
1 Partsch, ZSavöt. 28, 428.
" Haymann, Freilassungspflicht und Reurecht (1905). Lotmar, Marc Aurels Erlaß
über die Freilassungsauflage, Z Sav St. 33 (1912) 304—382.
* P. M. Meyer, Der röm. Konkubinat 18956; Costa, Bull. 11, 233; RP. Leonhard
in Realenz., concubinatus; Kohler, Papinian über Liebe und Ehe, Arch. ziv. Prax. 111, 309.
* Uber ein neues anziehendes Beispiel, Not. Scav. Ant. 9, 155 (ca. 300 n. Chr.) Costa,
L'elogio di Allia Potestas, Rend. Accad. Bologna, sc. mor. 20. 2. 1913.
* PBu. 140 = Mitteis, Chrest. 373.
H. Krüger, Geschichte der capitis deminutio 1, 1887; Eisele, Beiträge zur röm.
Resch. 1896, 160—216; F. Desserteauzx, Etudes sur la formation historique de la capitis
deminutio 1, 1909.
7 Das Folgende nach Mitteis, PHR. 1, 128—135.