J. Kohler, Rechtsphilosophie und Universalrechtsgeschichte. 43
ungünstigen Entwicklung des Ertrags beteiligt, aber zu gleicher Zeit, da die Wirtschaftsweise
eine fest bestimmte sein muß, zur wirtschaftlichen Abhängigkeit des Pächters führt 7.
Eine eigentümliche Art des Austauschs ist das Versicherungsgeschäft, bei
welchem nicht ein positiver, sondern ein negativer Vermögenswert ausgetauscht wird: der Ver-
sicherer, welcher das Risiko übernimmt, erhält eine Gegenleistung (Prämie). Im Altertum
finden sich Verträge, welche indirekt auf diesen Zweck hinzielen; die eigentliche Entwicklung
ist aber eine moderne: sie geht von der See= und Transportversicherung aus, hat aber jetzt alle
Zweige des Lebens ergriffen, wo überall ein Risiko hervortritt. Die Wohltaten des Versiche-
rungsgeschäfts sind außerordentliche: das Vermögen wird mit einem Schlage von Zufällig-
keiten befreit und gewinnt eine solide Grundlage, die es früher entbehrte; damit steigert
sich seine wirtschaftliche Spannkraft. Der Versicherer aber wird dadurch über den Zufall
Herr, daß er eine Menge von Versicherungsverträgen abschließt und auf den Satz baut, daß
der Zufall in der Massenentwicklung seine Gesetze hat ?.
§ 35.
8) Darlehen und Zins.
Das Darlehen beruht darauf, daß Kapitalien oftmals auf der einen Seite viel notwendiger
sind als auf der anderen, weshalb es Mittel geben muß, damit kraft Rechtsverkehrs das dem
einen zustehende Kapital zeitweise dem anderen zur Benutzung anheimsteht. So ist das Dar-
lehen ein ausgezeichnetes Mittel, die Kapitalien möglichst nach der Seite zu schaffen, wo sie
am meisten nützen können. Kapitalien in diesem Sinne sind immer Gesamtheiten vertret-
barer Sachen: Getreide, Geld usw., bei denen nicht die Stücke, sondern die Menge als Kon-
sumtions- und Produktionselement in Betracht kommt. Hier nun tritt die schwierige Frage
des Zinses hervor, die die Menschheit jahrhundertelang bewegt und das ganze wirtschaft-
liche Leben aufs tiefste ergriffen hat. Was bei der gemieteten Sache der Mietzins ist, das ist
beim Darlehen der Zins, d. h. ein Zeitlohn dafür, daß das Darlehenskapital eine Zeitlang beim
Kapitalempfänger bleiben darf, mindestens nicht an den Darleiher zurückerstattet zu werden
braucht. Uns scheint eine solche Vergütung ebenso natürlich wie der Mietzins, und doch
hat diese Idee lange Kämpfe gekostet, ja, mehrere der bedeutendsten Religionen haben sich dem
Zinsnehmen widersetzt. Die Gedanken, die dabei vorherrschten, waren folgende: Einmal kann
das Darlehen nicht nur produktiven, sondern auch konsumtiven Zwecken dienen; hier hat der
Kapitalempfänger keine Vermögensbereicherung vom geliehenen Kapital; er hat es verzehrt, ohne
daß der Gehalt in seinem Vermögen zurückgeblieben wäre. Da fragt man nun: Soll es billig
sein, wenn der Darlehensnehmer außer dem Kapital noch etwas Weiteres herauszuzahlen hat?
Is doch das Kapital bei ihm nicht fruchtbar gewesen! Und wenn dieses Konsumtivdarlehen,
wie ehedem, das hauptsächliche und normgebende war, so ist es begreiflich, daß man die Regel
hiervon ableitete und die Fälle des Produktivdarlehens überhaupt nicht in Betracht zog.
Ein zweiter Gedanke ist ders, daß das Darlehen vielfach in der Not ausgenommen wird;
in den Zeiten, die noch dem Kollektivismus näher stehen, muß es aber als besonders unbillig
erscheinen, die Not auszubeuten. Und wenn auch nicht gerade eine Notlage vorliegt, so
sind die Verhältnisse doch meist so gestaltet, daß dem Geldbedürftigen nur eine beschränkte Zahl
von Darleihern zu Gebote steht, so daß von einem wirksamen Wettbewerb und darum von einer
sachgemäßen Bestimmung des Zinsfußes kaum die Rede sein kann.
Eine weitere, noch mehr juristische Begründung ist folgende: Das Geld ist unfruchtbar;
fruchtbar ist nur die Arbeit, die sich des Geldes bedient: das Geld ist hier höchstens Hilfsmittel,
nicht aber Ursache des Erwerbs. Wenn man daher das Geld verzinslich macht, so maßt man
ihm eine Eigenschaft an, die es nicht hat, und man nimmt dem Entleiher etwas von der Frucht
1 Die Teilpacht findet sich bereits im altmorgenländischen Recht, so insbesondere bei den
alten Babyloniern. Über ihre wirtschaftlichen Vor= und Nachteile besteht eine ganze Literatur,
Schriften von Ehrenberg, Dietzel, Reitzenstein ufsw. »
«Vgl.darübermeinenAufiatzinderZeitichr.f.VersicherungswtssenfchaftxS.631,Gn-
führung in die Rechtswissenschaft S. 73.
* Einführung in die Rechtswissenschaft S. 72.