Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 525 
des späteren wieder zur Geltung bringen 1. UÜbrigens besteht der Inhalt zweier Testamente 
nebeneinander aufrecht, insofern man die spätere Erbeinsetzung als fideikommissarisch zugunsten 
des früher Eingesetzten belastet deuten kann (Sev. Car. in D. 36, 1, 30; Ulp. D. 28, 3, 12, 1). 
Es ist also großenteils nur noch ein unpraktischer Lehrsatz, daß sich Widerruf und neue 
Testamenterrichtung gegenseitig bedingen. Ahnlich steht es mit dem Hauptsatz der Lehre, 
daß Testament und Erbeinsetzung einander bedingen. Zwar gibt es kein Testament ohne Erb- 
einsetzung mindestens in blanko, und Erbeinsetzungen sowie Enterbungen können nur im Testa- 
ment erfolgen. Aber durch Kodizill läßt sich jede beliebige Belastung, außer einer dinglichen, 
dem Intestaterben auferlegen; und beinahe derselbe wirtschaftliche Erfolg wie durch Erbes- 
einsetzung kann durch ein Universalfideikommiß in einem Kodizill hergestellt werden. Juristisch- 
technisch bietet freilich die letztere Art noch bedeutende Umständlichkeiten und Schwierigkeiten; 
auch ist man das Testieren gewöhnt. Das Testament scheint in der Tat nicht bloß in den 
Juristenschriften, sondern wirklich im Leben die führende Rolle während des ganzen Prinzipats 
beizubehalten. 
Ist das Kodizill übrigens nach der älteren Weise im Testament bestätigt oder ist es nur 
überhaupt eine Beschwerung gegenüber dem testamentarisch Bedachten, so gilt es als ein Bestand- 
teil des Testaments. Diese Theorie hatte wahrscheinlich bei der Einbürgerung des Kodizills 
zu Paten gestanden. Infolgedessen hängt seine Wirksamkeit von der Wirksamkeit des Testaments 
ab (Jul. D. 29, 7, 3, 2). Es bleibt aber übrig, es von vornherein (Ulp. D. 29, 7, 1) als Intestat- 
kodizill zu gestalten. 
*# 129. Die Einsetzung von Erben (heredes instituere) ist Ernennung von Universal- 
sukzessoren. Es ist möglich, mehrere zu ermennen, auch beliebige Quoten ihnen zuzuteilen, aber 
jeder gilt als heres des ganzen Nachlasses, mit den Folgen, daß beim Wegfall eines Miterben 
sein Anteil sich ausdehnt (Akkreszenz); daß niemals, auch wenn der Erblasser nur eine Quote 
testamentarisch zu vergeben erklärte, die gesetzlichen Erben den Rest erhalten (nemo pro parte 
etc.); und daß eine Einsetzung auf einzelne Stücke des Vermögens (ex re certa) als innerer 
Widerspruch erscheint. Man kann sich schwer des Eindrucks erwehren, daß die beiden letzteren, 
dem römischen Recht ganz eigentümlichen Anschauungen, deren Erklärung weder scharfsinnigen 
noch mystischen Deutungen geglückt ist, ihr Dasein einer richtigen Idee und einer teilweise dok- 
trinären Ausgestaltung verdanken. Altes Recht sind sie gewiß nicht. In der Tat ist es falsch, 
daß die institutio ex re certa jemals „verboten“ gewesen wäre, wie oft behauptet wird und was 
in dem älteren Zustand des Manzipationstestaments schwerlich denkbar gewesen wäre. Denn 
in diesem gab es neben der Vermögensmanzipation wohl überhaupt nur Legate auf bestimmte 
Gegenstände, und das war ein instituere ex re certa; selbst als die Legate sich im engeren Begriff 
von den Erbesernennungen scharf scheiden, heißt noch im Prinzipat instituere häufig das Ein- 
setzen als Legatar. Die republikanischen Juristen werden es gewesen sein, die die Erblasser zu 
der gebräuchlich werdenden Verteilung von Zwölfteln (unciae) des Ganzen (as) unter die Erben 
erzogen. Das entwickelte römische System, beruhe es auf Gesetz oder Praxis, ist allerdings 
auf die Quotenberechtigung der Erben zugeschnitten; schon die Gläubiger werden darauf hin- 
gewiesen, und die Erben seit der lex Falcidia für die Berechnung des ihnen verbleibenden Erbteil- 
viertels. Aber wenn deshalb die Einsetzung zugleich als Erbe und auf ein Vermögensstück oder 
eine beschränkte Vermögensmasse als widerspruchsvoll erschien, für ungültig wurde diese dem 
gemeinen Mann am nächsten liegende Verfügung nie gehalten, sondern nur etwas grobkörnig 
behandelt. Man streicht nämlich die Erwähnung der Sache. Dabei bleibt es naturgemäß für 
einen Alleinerben (Ulp. D. 28, 5, 1, 4 u. a.). Bei Erbenmehrheit tut man dasselbe (Sab. in D. 
28, 5, 9, 13; 10) und korrigiert schließlich, insbesondere unter den Severen (Restkript in D. 36, 
1, 30) das Ergebnis durch unterstellte Universalfideikommisse und Teilungsanordnungen — 
freilich aber nicht rücksichtlich der Schuldenhaftung 2. 
1 Pap. D. 37, I11, 11, 2. Über Gai. 2, 148 f. Bonfante, Ist. 576 N. 2. 
2 Pap. u. Ulp. D. 28, 5, 79 pr.; 35. — Neuner, Die Heredis institutio ex re certa;, 
1853; Kuntze, Leipz. ak. Progr. 1875; Kohler, ArchZiv Prax. 91, 342. Uber die Inter- 
polationen auch der zit. Stellen vgl. Just. C. 6, 24, 13, Ferrini, Pand. 759; Mancaleoni, 
Appunti sull’ inst. ed re, Studi sassaresi 1902. Gegen meine oben wiederholte Ansicht (Elter- 
liche Teilung 525) v. Woeß 146 N. 24, dessen eigene Vermutung, die Aufteilung in Stücke 
habe erst aus Griechenland kommen müssen, ich meinerseits ablehne.
	        
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