Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

530 Ernst Rabel. 
(color insaniae) nachsagt 1. Als berechtigte Kläger gelten Kinder und Eltern, vielleicht ebenso 
unbedingt Geschwister (bis Const. C.Th. 2, 19, 1). Sonstige Seitenverwandte sollten sich nach 
Ulpians Rat (D. 5, 2, 1, Echtheit bestritten) lieber die Kosten sparen. Wann eine Übergehung 
pietätlos sei, ist dauernd Ermessensfrage, doch steht seit etwa dem späten 1. Jahrhundert nach 
Analogie der quarta Falcidia die Höchstgrenze fest, daß sich nicht beklagen darf, wer den vierten 
Teil seines reinen gesetzlichen oder prätorischen Erbteils (quarta legitimae partis, portio debita) 
irgendwie durch das Testament oder durch Schenkung von Todes wegen? empfängt. Daß nur 
der im konkreten Fall als Intestaterbe Berechtigte den Anspruch hats, z. B. die Mutter nur in 
Ermangelung von Kinderm, ergibt sich im Prinzip schon daraus, daß nur er von der Umstoßung 
des Testaments Nutzen zieht; von Ausnahmefällen abgesehen, wie dem Heimfallsrecht des 
Vaters eines über sein Peculium castrense testierenden Sohnes. Seit der Festlegung der 
Quart scheint dieses Prinzip folgerichtig noch gefestigter zu sein. Die Bescheidenheit der portio 
bestätigt neuerdings, wie zaghaft Rom gerade Testamente einschränkt. Vielleicht mag ein 
vorsichtiger Erblasser bisweilen lieber mehr als das Viertel den Anwärtern zuwenden, um 
einen Spielraum für spätere Veränderungen zu lassen, da der Pflichtteil nach dem Vermögens- 
stand der Todeszeit berechnet wird und ein Sieg der Anfechtungsklage grundsätzlich das ganze 
Testament umstößt (Ulp. D. 5, 2, 8, 16). Das letztere erleidet aber bedeutende Ausnahmen, 
das Gericht beurteilt offenbar die Erbeinsetzungen desselben Testaments verschieden, hält nach 
Ermessen die einen aufrecht und kassiert die anderen “. Im übrigen kennen wir die Praxis. 
nicht genug, um beobachten zu können, wie weit sie sich an Testiersitten anschloß und dadurch 
ihrerseits die letztwilligen Verteilungen beeinflußte 5. 
Die Querel tritt dem Andenken des Erblassers nahe und wird daher nur als letztes Hilfs- 
mittel zugelassen. Wenn ihre erfolglose Anstellung Erbunwürdigkeit nach sich zieht (Ulp. D. 5, 
2, 8, 14), so hat das aber den praktischen Zweck, von mutwilligen Anfechtungen des Testa- 
ments abzuschrecken, ebenso wie die Indignität nach fruchtloser Anklage der Fälschung (C. 9, 
22, 6 aà. 245). 
Dem am strengsten geschützten Freilasser bietet das Edikt für seine bon. poss. contra 
tabulas eine wichtige Ergänzung in den actiones Fabiana und Calvisiana ", womit er Schen- 
kungen des Freigelassenen wegen Benachteiligung des Pflichtteils anficht (vgl. fermer Ulp. 
D. 47, 14, 16 pr.). Für die Pflichtteilsberechtigten eines Freigeborenen bestehen entsprechende 
Querelen inofficiosae donationis und inofficiosae dotis wegen übermäßiger Zuwendungen 
unter Lebenden unter Alex. Severus (Paul. D. 31, 87, 3) und später (C. 3, 29; 30). 
§ 134. Erwerb der Erbschaft. Der suus erwirbt seine Erbenstellung durch den Erb- 
fall, der extraneus durch Antritt (aditio). Für diesen kann vom Erblasser im Testament eine 
formelle Erklärung binnen bestimmter Frist (cretio) vorgeschrieben sein; dieser alte Brauch 
hat sich erhalten (Gai. 2, 164), wohl um den fehlenden gesetzlichen und den unbefriedigenden 
1 v. Woeß, der nach einer Anregung Wlassaks an die prätorische Herkunft der Querel 
glaubt (a. M.: Beseler, Beitr. 2, 34) und die Lehren der Rhetorik schön darlegt, legt großen 
Wert darauf, daß bei letzterer der Color insaniae nur eine rednerische Figur bedeutet, womit auf 
Wahnsinn verblümt angespielt wird. In der Tat dürfte nicht an Fiktion der Verrücktheit 
zu denken sein, vielleicht aber doch an eine Analogie mit dem Wahnsinn. 
Auch Aussteuer oder Mitgiftvorempfänge? Dafür darf nicht Ulp. D. 5, 2, 25 pr. angerufen 
werden, itp. nach C. 3, 28, 35, 2; vgl. 29; 30, 2; Ferrini, Pand. 778 N. 2. Weitere inter- 
polierte Stellen: Mancaleoni, St. Scialoja 2, 609. Vgl. aber v. Woeß 84. 253 u. ö. 
Vgl. Girard, Man. 864 N. 3. Den Grundsatz erkennt auch Fitting, Peculium 
castrense 232 ff. an. Die Gegeninstanzen bei v. Woeß 210. 233 aus dem 1. Jahrhundert dürfen 
höchstens als Quellen für die ehemalige, noch nicht fixierte Abmessung der Portio debita und 
deren Terminus post quem gelten. 
4 Vgl. oben S. 526 N. 1; Wlassak 1938 f.; Woeß 247. Nicht alles Nähere ist sicher, 
bes. was den anscheinend klassischen Satz angeht, daß der Anfechtende mit der Zuwendung oder 
dem Pflichtteil zufrieden sein muß, Sev. Car. in D. 36, 1, 30 u. a., vgl. Mancaleon 622. 
Die Kompilatoren setzen eine neue Ordnung durch und geben dem Anwärter, dem etwas hinter- 
lassen ist, grundsätzlich nur eine Actio ad supplendam legitimam. Über die „Lex damnata“ 
Paul. D. 5, 2, 19 fs. Naber, Anemosyne 34, 365; Hellwig II. 
5 Optimistisch versucht v. Woeß eine Anzahl von Feststellungen, bes. S. 84. 
" Lenel, Ed. & 151; Lit. bei Girard, Textes 454.
	        
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