Soziales Versicherungsrecht. 463
2. Die soziale Versicherungsgesetzgebung bildet zusammen mit der
Arbeiterschutzgesetzgebung die soziale Gesetzgebung des Deutschen
Reichs i. Die Arbeiterschutzgesetzgebung ist, wie die soziale Versicherungsgesetz-
gebung, ein Produkt der neueren Zeit, veranlaßt durch die Entwicklung der Großbetriebe und
die Anwendung der Maschinen. Sie nahm im Beginn des vorigen Jahrhunderts ihren Anfang
in England, wo sich früher als in anderen Ländern der Übergang zu der neuen Produktions-
weise vollzogen hatte, und gelangte in der intemationalen Arbeiterschutzkonferenz in Berlin
(15.—29. März 1890) zum klar bewußten Ausdruck. Die Arbeiterschutzgesetzgebung hat zum
Gegenstande den Schutz gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit der Arbeiter,
die Regelung der Arbeitsordnungen, die Arbeiten der Frauen, jugendlichen Arbeiter und Kinder,
die Arbeiten an Sonn= und Festtagen, die Nachtarbeit, die Maximalarbeitszeit, die Arbeits-
pausen, die Beseitigung von Mißbräuchen bei der Lohnzahlung, insbesondere das Verbot des
Trucksystems, die geistige Fortbildung der Arbeiter (Fortbildungsschulen) und die gewerbe-
polizeiliche Überwachung der Betriebe 2.
3. Dieso ziale Versicherung zerfällt in die reichs gesetzliche Arbeiter-
versicherung und die Angestelltenversicherung. Die reichsgesetzliche Arbeiter-
versicherung kennt drei Zweige der Versicherung: die Krankenversicherung, die
Unfallversicherung und die Invaliden= und Hinterbliebenen-Ver-
sicherung:.
* In einem weiteren Sinne umfaßt die soziale Gesetzgebung alle diejenigen Vor-
schriften, welche die Hebung und Stärkung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der minder
begüterten Teile der Bevölkerung zum Gegenstande haben.
* Zu vgl. Handwörterbuch der Staatswissenschaften von Conrad, Elster, Lexis,
Loenin t 3. Aufl. Bd. 1 S. 470—607; Handbuch der Arbeiterwohlfahrt von Dr. Dammer,
1903, Bd. II S. 34—104; ferner die Kommentare zur Gewerbeordnung (z. B. Hoffmann,
12. Aufl., v. Landmann, 6. Aufl., Neukamp, 1912, Rohrscheid, 2. Aufl., Stier-
Somlo, 1912, Lindenberg, 1913).
* Literatur: Wichtigere Schriften, die das gelamte Arbeiterversicherungs
recht umfassen: H. Rosin, Das Recht der Arbeiterversicherung, I. Bd.: Die reichsrechtlichen
Grundlagen der Arbeiterversicherung, Berlin 1890—1893; II. Bd.: Das Recht der Invaliden=
und Altersversicherung, Berlin 1905; R. Weyl, Lehrbuch des Reichsversicherungsrechts, Leipzig
1894; K. Bornhak, Die deutsche Sozialgesetzgebung, 4. Aufl., Tübingen 1900; Zorn, Das.
deutsche Staatsrecht, 2. Aufl., Bd. II 179 ff.; Seydel, Bayer. Staatsrecht, 2. Aufl., Bd. III
140 ff.; Laband, Staatsrecht des Deutschen Reiches, 4. Aufl. 1901, Bd. III 262 ff.; R. Pi-
loty, Gesamtausgabe der Arbeiterversicherungsgesetze, 2. Aufl., München 1900 ff.; E. Götze
und P. Schindler, Jahrbuch der Arbeiterversicherung, Berlin, 26 Jahrgänge; Leitfaden zur
Arbeiterversicherung des Deutschen Reichs (Berlin 1913); Laß und Zahn, Einrichtung und
Wirkung der deutschen Arbeiterversicherung (Amtliche Denkschrift) 3. Aufl., Berlin 1904; Laß
und Klehmet, Grundriß der Arbeiterversicherung, Stuttgart 1903; Stier-Somlo,
Studien zum sozialen Recht, Mannheim und Leipzig 1912; Kaskel und Sitzler, Grundriß
des sozialen Versicherungsrechts, Berlin 1912; v. Köbke, Grundzüge der Arbeiterversicherung,
Berlin 1906; List, Das geltende deutsche Arbeiterversicherungsrecht, Berlin-Grunewald 1906;
Manes, Sozialversicherung, 2. Aufl., Leipzig 1911; Meyer-Dochow, Lehrbuch des
deutschen Berwaltungsrechts, 3. Aufl., Leipzig 1910, 9F 262; Wagner, Die deutsche Arbeiter-
versicherung, Berlin-Grunewald 19068; Cahn, System der Reichsversicherungsordnung, Groß-
Lichterfelde 1911; Brosel-Ballet, Reichsversicherungsordnung; die Kommentare zur
Reichsversicherungsordnung von Düttmann, Appelius u. a., Altenburg 1911; von
Gugel-Schmidt, Berlin 1912; Hanow, Hoffmann u. a., Berlin 1911; v. Köhler,
Biesenbergeru. a., Stuttgart 1911; Kohlermit Gresbeck und Reger, 1911; Laß, Ols-
hausen, Weymann, Berlin 1912; Laß, Kleine Handausgabe mit Anmerk., Mannheim
1912/13;:1 Manes, Mentzel, Schulz, Leipzig 1912; Stier-Somlo, Berlin 1911;
Follmann, Jaup u. a., Berlin (J. Guttentag) 1912 ff., Dannenberg, Haenel
u. a., Leipzig 1912. Grober, Einführung in die Versicherungemebiin, Jena 1907; Engel,
Grundzüge ärztlichen Mitwirkens bei Ausführung der staatlichen Unfallversicherungsgesetze, Jena
1909; Fürst und Windscheid, Handbuch der sozialen Medizin, Jena 1903—1905. Zu vyl.
im übrigen für die ältere Zeit Frankenstein, Bibliographie des Arbeiterversicherungswesens
im Deutschen Reiche 1895.
Eül-gialfammüun#: Archiv für Reichsversicherung, hrsg. von Düttmann u. a., Olden-
urg 1912 ff.
Feitschriften: Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamts
1885 ff.; Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung, hrsg. von Braun, Berlin 1911 ff..