Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

570 Paul Heilborn. 
soeben angeführte Bestimmung der Landkriegsordnung wird diese Maßtegel jedenfalls sehr 
einschränken. 
Als Bewohner des besetzten Gebiets müssen Angenörige neutraler Staaten die Lasten 
der occupatio bellica in gleicher Weise tragen wie die Untertanen des feindlichen Staats. 
§ 68. 4. Das Postliminium. 
Literatur. Focherini: II postliminio nel moderno diritto internazionale, Modena 1908; 
Mitteis: Römisches Privatrecht 1 127. 
Der Begriff des Postliminiums ist dem römischen Recht (Dig. 49, 15) entlehnt. Im 
modernen Recht bedeutet er Wiedereinsetzung in den früheren Stand nach Aupfhebung der 
feindlichen Gewalt. Das jus postliminü kommt zur Anwendung, sobald ein Gebietsteil, die 
Bevölkerung, einzelne Personen oder Güter, welche in feindliche Gewalt geraten waren, von 
dieser wieder befreit werden (Kirchenheim). Voraussetzung ist, daß der Feind nur eine tat- 
sächliche Gewalt erlangt hat, und daß diese wieder beseitigt ist. Ausgeschlossen ist die An- 
wendung des ius postliminü, sobald ein#e vom Völkerrecht anerkannte Rechtsveränderung statt- 
gefunden hat: bei den dem Beuterecht unterworfenen Gegenständen nach ersolgtem Übergang 
des Eigentums. Wird eine solche Sache dem Feind wieder abgenommen, so wird neues Eigen- 
tum begründet; der ehemalige Eigentümer kann die Wiedereinsetzung in den früheren Stand 
jure postliminü nicht begehren. 
Das Postliminium kann während des Krieges und nach seiner Beendigung Platz greifen, 
sobald die Befreiung aus feindlicher Gewalt eintritt. Die meisten Rechtsverhältnisse sind inner- 
staatlicher Natur. 
1. Das personenrechtliche Postliminium hat geringe Bedeutung, weil die Rechts= und 
Geschäftsfähigkeit des Gefangenen durch die Gefangenschaft nicht beeinträchtigt wird, weil die 
Gefangenschaft selbst mit dem Kriege von Rechts wegen ihr Ende erreicht. 
2. Das privatrechtliche Postliminium findet statt in Ansehung aller in Feindesgewalt 
geratenen Sachen. Die früher begründeten Rechte, z. B. ein Pfandrecht, können wieder geltend 
gemacht bzw. beansprucht werden. Wird eine Prise befreit, ehe die verurteilende Entscheidung 
Rechtskraft erlangt hat, so ist sie dem Eigentümer zurückzugeben, weil das Eigentum noch nicht 
erloschen ist. Doch erkennen Staatsgesetze das Recht des Eigentümers mitunter nur unter der 
Bedingung an, daß er dem Kaptor eine entsprechende Belohnung oder Entschädigung gewährt 
(A. 1 9 5 203, 208/10). 
3. Das öffentlich-rechtliche Postliminium nach Beendigung der occupatio bellica (§ 67). 
Die verdrängte Staatsgewalt tritt wieder in Tätigkeit, sobald und soweit der Gegner das besetzte 
Gebiet räumt, während des Kriegs oder nach dessen Beendigung. Die abgesetzten oder außer 
Dienst getretenen Staatsbeamten nehmen ihre Funktionen wieder auf. Die suspendierten 
heimischen Gesetze und Verordnungen treten ohne weiteres in Kraft, die vom Okkupanten 
erlassenen werden hinfällig. Rechtsbeständig bleiben dagegen die einzelnen von ihm vorge- 
nommenen Verwaltungshandlungen, die Verfügungen über das Staatseigentum, vorausgesetzt, 
daß er sich innerhalb der Grenzen seiner Zuständigkeit gehalten hat. Rechtsbeständig bleibt 
auch seine Rechtspflege. 
§ 69. 5. Kriegsverträge. 
Kriegsverträge sind die zwischen den kriegführenden Parteien während des Krieges ge- 
schlossenen Verträge. Ihre verpflichtende Kraft regelt sich nach den allgemeinen Normen. 
Über die Zuständigkeit zum Abschluß solcher Verträge vgl. § 11 I. 
Zu nennen sind: Kartelle über Auswechslung von Gefangenen, über Post= und Telegraphen- 
verkehr, über die Neutralität gewisser Plätze. — Die Kapitulationen haben die Ubergabe von 
Festungen, Truppenteilen und Schiffen zum Gegenstand; sie enthalten Bestimmungen über 
die Behandlung des übergebenen Platzes, der Festungswerke, der Truppen und des Kriegs-
	        
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