1074 Abschnitt XX. Gründung neuer Ansiedelungen.
II. Gründung neuer Ansiedelungen:).
§. 13. Wer außerhalb einer im Zusammenhange gebauten Ortschaft:) ein
1) Es ist anerkannt äußerst schwierig, den Begriff der neuen Ansiedelung in
einer allen Zweifeln vorbeugenden Weise im Wege der Gesetzgebung zu präzisiren,
weshalb nichts anderes übrig bleibt, als solche Zweifel der Interpretation und
Judikatur im gegebenen Falle zu überlassen. Aus den legislativen Verhandlungen ist
jedoch soviel zu entnehmen, daß unter einer Ortschaft im Sinne des §. 13 nicht nur
eine Stadt= oder Dorfgemeinde, sondern auch ein selbständiger Gutsbezirk, ein Häuser-
komplex und ein thatsächlich im Zusammenhange gebauter Theil einer Ortschaft zu
verstehen sind, sowie daß es nicht auf einen wirthschaftlichen oder mechanischen, sondern
auf einen räumlichen Zusammenhang, die räumliche Nähe, ankommt, E. O. V. V.
400; X. 322; XI. 359; XII. 172. 6 # 6
Es ist eine irrthümliche Voraussetzung, daß jede Errichtung eines Wohnhauses
außerhalb der geschlossenen Dorflage als eine neue Ansiedelung zu betrachten ist, auch
wenn sie innerhalb einer im Zusammenhang liegenden Ortschaft liegt, Erk. O. V. G.
4. Juni 1879 (E. O. V. V. 400). Vergl. Res. 3. Juni 1845 (M. Bl. S. 182)
und 8. Juli 1845 (M. Bl. S. 270). Dagegen kann da, wo eine Ortschaft aus
nicht im Zusammenhange gebauten, weit zerstreuten Wohnstätten besteht und Be-
bauungspläue nicht festgestellt find, in der Errichtung eines neuen, abseits gelegenen
Wohngebäudes unter Umständen eine Ansiedelung gefunden werden. E. O. V. IX.
340. Nach dem Res. 9. Nov. 1860 (M. Bl. S. 135) ist eine Windmühle ohne
ein dazu gehöriges Wohnhaus als eine Neuansiedelung nicht anzusehen — wohl aber
ist ein Ansiedelungsconsens für die sog. Zechenhäuser erforderlich, Res. 18. Nov.
1871 (M. Bl. 1872 S. 53). Z
Ueber die Anlegung von Feuerstellen in der Umgebung von Waldungen vergl.
8. 47 Feld= und Forstpolizeiges. 1. April 1880.
2) Unter einer „im Zusammenhange gebauten Ortschaft“ ist auch schon ein
Häuserkomplex, überhaupt jeder räumlich zusammenhängende Theil einer Gemeinde,
einer in sich geschlossenen Gesammtheit von Niederlassungen zu verstehen. Es ist eine
rechtsirrthümliche Auffassung, daß es sich auch dann um die Anlegung einer Kolonie
handle, wenn ein Unternehmer außerhalb einer im Zusammenhange gebauten Ortschaft
successive Wohnhäuser in größerer Anzahl errichtet, von denen jedes einzelne zwar als
Kolonie nicht gelten könne, mit Rücksicht auf die bereits vorhandenen Anbauten
desselben Unternehmers jedoch weit über den Rahmen der Einzelansiedelung hinaus-
greife, weil die Anlage in ihrer Gesammtheit den gewöhnlichen Begriff einer Kolonie
als einer für eine erhebliche Menge von Bewohnern bestimmten Wohnstätte oder als
„einer größeren Anzahl von Ansiedelungen im räumlichen Zusammenhange“, wie die
Motive zu der Regierungsvorlage das Wort „Kolonie“ umschreiben, nach Maßgabe
der §§. 18 bis 20 des Gesetzes unzweifelhaft erfülle. Es kann vielmehr (abgesehen
von dem Falle, wo die beabsichtigte Ansiedelung sich zu vorhandenen Anbauten etwa
als Theil eines einheitlich angelegten, aber bruchstücksweise durchgeführten Kolonisations-
planes handelt) von der „Anlegung einer Kolouie“ überhaupt nur die Rede sein, wenn
das neue Unternehmen selbst, ohne Rücksicht auf sich anschließende bereits bestehende
Wohngebäude, erst eine Kolonie entstehen läßt, so daß sich für die dadurch geschaffene
Gruppe von Wohnstätten die Neuordnung der Gemeinde-, Kirchen= und Schuloer-
hältnisse dem öffentlichen Interesse und den bestehenden gesetzlichen, bezw. statutarischen
Bestimmungen gemäß nothwendig macht. Die Anlegung der Kolonie muß demnach
ein Gegenstand des Unternehmens sein, nicht etwa erst dessen mögliche und zufällige
Folge. Darum wird auch vom Unternehmer die Vorlegung eines Planes verlangt
mit Vorschlägen über die Art der künftigen Ordnung der Kommunal--, Kirchen- und
Schulverhältnisse für die anzulegende Kolonie, Erk. 30. April 1884 (E. O. V. Xl. 359).
Als eine im Zusammenhange gebante Ortschaft im Sinne des Au-
siedelungsgesetzes ist jeder räumlich zusammenhängende Theil einer Gemeinde, jede
in sich geschlossene Gesammtheit von Niederlassungen anzusehen, gleichviel ob dieselbe
einen besonderen Ortsnamen führt und als eine selbständige Einheit öffentliche An-
erkennung gefunden hat. Die Errichtung eines Wohnhauses außerhalb eines solchen
Häuserkomplexes ist eine Ansiedelung, die Errichtung mehrerer Wohnhäuser oder auch
nur eines einzelnen Wohnhauses von solcher Ausdehnung, daß die zu erwartende