Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

1076 Abschnitt XX. Gründung neuer Ansiedelungen. 
begründet wird, welche die Annahme rechtfertigen, daß die Ansiedelung den 
Schutz der Nutzungen benachbarter Grundstücke aus dem Feld- oder Gartenbau. 
aus der Forstwirthschaft, der Jagd oder der Fischerei gefährden werde w. 
§. 16. Vor Ertheilung der Ansiedelungsgenehmigung sind die betheiligten. 
Gemeinde-(Guts-) Vorsteher (§. 15) von dem Antrage in Kenntniß zu setzen?). 
Diese haben den Antrag innerhalb ihrer Gemeinden (Gutsbezirke) auf orts- 
übliche Art mit dem Bemerken bekannt zu machen, daß gegen den Antrag von 
den Eigenthümern, Nutzungs-, Gebrauchsberechtigten und Pächtern der benach- 
barten Grundstücke innerhalb einer Präklusivfrist von einundzwanzig Tagens) 
bei der Ortspolizeibehörde Einspruch erhoben werden könne, wenn der Einspruch 
sich durch Thatsachen der in §. 15 bezeichneten Art begründen lasse. 
Die erhobenen Einsprüche sind von der Ortspolizeibehörde, geeignetenfalls 
nach Anhörung des Antragstellers und derjenigen, welche Einspruch erhoben 
haben, sowie nach Aufnahme des Beweises zu prüfen0. 
  
Zu Anmerkung 6 auf S. 1075. 
Forsten. Hierin liegt in der That das Hauptbedenken gegen die schrankenlose An- 
siedelungsfreiheit. Besonders dienen isolirt gelegene Ansiedelungen in der Nähe 
von Forsten zur Erleichterung des Forst= und Jagdfrevels, und nicht selten ist die 
Gelegenheit hierzu für die Errichtung einer Ansiedelung bestimmend. In solchen und 
ähnlichen Fällen steht dem Recht auf freie Niederlassung der ebenso begründete An- 
spruch der Eigenthümer und Nutznießer von Forst-, Feld-, Garten- und Wassergrund- 
stücken gegenüber, in der Nutzung dieser Grundstücke geschützt zu werden. Da an 
isolirten und abgelegenen Oertlichkeiten die dauernde Bewachung durch die Betheiligten 
unausführbar ist, und die polizeilichen Hülfsmittel ebenfalls nicht ausreichen, so muß 
ein Schutz hinzutreten, den das Gesetz unmittelbar gewährt". 
1) Andere öffentliche Interessen können für die Versagung der Genehmigung 
nicht bestimmend sein, Erk. 28. März 1890 (E. O. V. XIX. 403). Vergl. E. O. 
V. XIX. 399, 413. 
2) Diejenigen Bestimmungen der bestehenden Forstordnungen, Provinzial-Ges. 2c., 
welche die Errichtung von Gebäuden in der Nähe von Forsten Beschränkungen unter- 
wersen, bleiben nach §. 24 Abs. 2 des Gesetzes unberührt. Mit Rücksicht hierauf 
ist, wenn ein Gebäude in einer geringeren als derjenigen Entfernung von einer Forst- 
grenze errichtet werden soll, welche die gedachten Bestimmungen als die geringste vor- 
schreiben, iunerhalb deren Gebäude überhaupt errichtet werden dürfen, die in §. 16 
des Gesetzes vorgeschriebene Benachrichtigung stets auch an den Vorsteher desjenigen 
Gemeinde-(Guts-) Bezirks zu richten, welchem der betreffende Forst angehört, gleich- 
viel ob das zu besiedelnde Grundstück mit dem Forst= bezw. dem Gemeinde-(Guts.) 
Bezirke grenzt oder von demselben durch dazwischen liegende Grundstücke dritter 
Eigenthümer getrennt wird. 
In gleicher Weise ist, wenn einer beabsichtigten Ansiedelung diejeuigen Be- 
stimmungen entgegenstehen, welche die Errichtung von Gebäuden in der Nähe von 
Eisenbahnen und der im §. 24 Abs. 2 sonst genannten Anlagen 2c. beschränken, die 
im §. 16 vorgeschriebene Benachrichtigung stets auch an den Vorsteher desjenigen 
Gemeinde-(Guts.) Bezirks zu richten, in welchem die betreffenden Eisenbahnstrecken 2c. 
belegen sind, Ausf. Instr. §. 15. 
:) Diese Frist ist durch §. 51 L. V. G. nicht geändert und gilt auch für den 
Einspruch des Gemeindevorstehers, E. O. V. XIX. 414. 
4) Das rechtskräftige Urtheil des Verwaltungsgerichtes ersetzt nicht die in §. 13 
unbedingt vorgeschriebene polizeiliche Genehmigung, sondern bildet nur die Grundlage 
für dieselbe, §. 14 Instr. 
Ein klagbares Recht darauf, daß nicht neue Ansiedelungen ohne Konsens entstehen, 
ist den Nachbarn nicht eingeräumt Wenn bereits gebaut ist, sei es ohne Baukonsens 
oder mit solchem, so haben sie im ersteren Falle die Intervention der Polizeibehörde 
anzurufen und im zweiten Falle sich an die Aussichtsbehörde zu wenden, ganz ebenso 
wie wenn etwa ein Ansiedelungskonsens ertheilt worden ist, ohue daß das Verfahren 
nach 88. 16 flgde. stattgefunden hat. Die Aufsichtsbehörde hat dann materiell zu 
prüsen und event. die Polizeibehörde anzuweisen, daß dieselbe so verfährt, als wenn 
ein Baukonsens nicht vorläge, E. O. V. VII. 232. Voraussetzung für das Verfahren 
des §. 16 ist ein Antrag auf Ansiedelungsgenehmigung. Doch genügt es, wenn die
	        
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