1136 Abschnitt XXII. Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen.
— 27. Ob und inwieweit bei Erlöschen (8. 28) oder Zurücknahme der
Genehmigung wegen Unterbrechung des Baues oder Betriebes (8. 24) die für
die Ausführung der Bahn oder die fristgemäße Eröffnung oder die Aufrecht-
erhaltung des Betriebes bestimmten Geldstrafen verfallen, entscheidet unter Aug-
schluß des Rechtsweges der Minister der öffentlichen Arbeiten. Dieser beschließt
über die Verwendung solcher Geldstrafen. Letztere sind zu Gunsten des früheren
Unternehmens, anderenfalls ähnlicher Unternehmungen in dem betreffenden Landes-
theile zu verwenden. Z„
§. 28. Unternehmer von Kleinbahnen sind verpflichtet, sich den Anschluß
anderer Bahnen gefallen zu lassen, sofern die Behörde, welche die Genehmigung
für die Bahn, an welche der Anschluß erfolgen soll, ertheilt hat, mit Rücksicht
auf die Konstruktion und den Betrieb der Bahn den Anschluß für zulässig er-
achtet. Dieselbe Behörde entscheidet auch darüber, wo und in welcher Weise
der Anschluß erfolgen soll, regelt in Ermangelung einer gütlichen Vereinbarung
die Verhältnisse beider Unternehmer zu einander und setzt, vorbehaltlich des
Rechtsweges, die dem erstgedachten Bahnunternehmer für die Benutzung oder
Veränderung seiner Anlagen zu leistende Vergütung fest.
4 29. Unternehmer von Kleinbahnen können die Gestattung des An-
schlusses ihrer Bahnen an Eisenbahnen verlangen, welche dem Gesetze über die
Eisenbahn-Unternehmungen vom 3. November 1838 unterliegen, sofern der
Minister der öffentlichen Arbeiten mit Rücksicht auf die Konstruktion und den
Betrieb der letzteren den Anschluß für zulässig erachtet. Darüber, wo und in
welcher Weise der Anschluß herzustellen ist, und über die Verhältnisse beider
Unternehmer zu einander, insbesondere über die dem Eisenbahnunternehmer für
die Benutzung oder Veränderung seiner Anlagen zu leistende Vergütung ent-
scheidet, in letzterer Beziehung unter Vorbehalt des Rechtsweges, der Minister
der öffentlichen Arbeiten . 6
1. 30. Haben Kleinbahnen nach Entscheidung des Staats-Ministeriums
eine solche Bedeutung für den öffentlichen Verkehr gewonnen, daß sie als Theil
des allgemeinen Eisenbahnnetzes zu behandeln sind, so kann der Staat den
eigenthümlichen Erwerb solcher Bahnen gegen Entschädigung des vollen Werths#
nach einer mit einjähriger Frist vorangegangenen Ankündigung beanspruchen.
§. 31. Der Erwerb (§. 30) erfolgt unter sinngemäßer Anwendung der
Bestimmungen des §. 42 Nr. 4 bis d des Gesetzes über die Eisenbahnunter-
nehmungen vom 3. Nov. 1838, mit der Maßgabe, daß der Berechnung des
25 fachen Betrages nach §. 42 Nr. 4a des vorerwähnten Gesetzes das steuer-
pflichtige Einkommen nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes vom
24. Juni 1891 (G. S. S. 175) zu Grunde zu legen ist, jedoch bei den Aktien-
Gesellschaften und Kommandit-Gesellschaften auf Aktien der Abzug von 3½
Prozent des eingezahlten Aktienkapitals (I. 16 Einkommensteuergesetz) fortfällt.
Erstreckt sich die Kleinbahn über das Gebiet des preußischen Staats hinaus in
andere deutsche Bundesstaaten, so ist gleichwohl das Einkommen aus dem ge-
sammten Betriebe der Berechnung der Entschädigung zu Grunde zu legen.
War das zu erwerbende Unternehmen noch nicht 5 Jahre im Betriebe, so ist für
die Berechnung der Entschädigung der Jahresdurchschnitt des bisher erzielten
Reingewinnes maßgebend. — Ist eine Aktien-Gesellschaft Unternehmer der zu
erwerbenden Bahn, so bedarf es nicht der Einlösung der Aktien von den
zursinen ttinaren sondern nur der Zahlung der Gesammt-Entschädigung an
ie Gesellschaft.
§. 32. Der Unternehmer kann verpflichtet werden, über jede Bahn, für
welche ihm eine besondere Genehmigung ertheilt worden ist, dergestalt Rechnung
u führen, daß der Reinertrag derselben, und wenn der Unternehmer eine
Mrtlen-Gesellschaft ist, die von derselben gezahlte Dividende daraus mit Sicher-
heit entnommen werden kann).
1) Eine umfassende Regelung der Beziehungen der Kleinbahnen zu den Staats-
eisenbahnen ist durch Res. 9. Juni 1894 (Zeitschr. f. Kleinb. 1894 S. 378) erfolgt.
2) Von dieser Verpflichtung kann abgesehen werden, wenn die Gesammtunter-
nehmung keine anderen Bahnen enthält, als städtische Bahnen für den Personenverkehr
und Bahnen, die (z. B. Drahtseilbahnen) sich zum Anschlusse an das Eisenbahnnetz
nicht eignen, Anw. zu §. 32.