Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Erster Band. (1)

Nachträge. 1531 
Die Hälfte des Ueberfahrtsgeldes kann zurückverlangt werden, wenn der Aus- 
wanderer vor Antritt der Reise vom Vertrag aus anderen Gründen zurücktritt. 
§. 30. Wird das Schiff durch einen Seeunfall oder einen anderen Umstand 
an der Fortsetzung der Reise verhindert oder zu einer längeren Unterbrechung derselben 
genöthigt, so ist der Unternehmer (8. 1) verpflichtet, ohne besondere Vergütung den 
Auswanderern angemessene Unterkunft und Verpflegung zu gewähren und die Be- 
förderung derselben und ihres Gepäckes nach dem Bestimmungsorte sobald als möglich 
herbeizuführen. 
Diese Vorschrift findet sinngemäße Anwendung auf die Weiterbeförderung vom 
überseeischen Ausschiffungshafen aus (§. 26 Abs. 2). 
§. 31. Vereinbarungen, welche den Bestimmungen der §§. 27 bis 30 zuwider 
laufen, haben keine rechtliche Wirkung. 
§. 32. Der Unternehmer kann verpflichtet werden, zur Sicherstellung der ihm 
aus den 8§§. 27 bis 30 entstehenden Verpflichtungen eine das Ueberfahrtsgeld um den 
halben Betrag übersteigende Summe zu versichern oder einen der Versicherungssumme 
entsprechenden Betrag zu hinterlegen. 
§. 33. Der Unternehmer hat dafür Sorge zu tragen, daß das Schiff, mit 
welchem die Auswanderer befördert werden sollen, für die beabsichtigte Reise völlig see- 
tüchtig, vorschriftsmäßig eingerichtet, ausgerüstet und verproviantirt ist. 
Die gleiche Verpflichtung trifft den Führer des Schiffes. 
§. 34. Jedes Auswandererschiff unterliegt vor dem Antritte der Reise einer 
Untersuchung über seine Seetüchtigkeit, Einrichtung, Ausrüstung und Verproviantirung. 
Die Untersuchung erfolgt durch amtliche, oon den Landesregierungen bestellte 
Besichtiger. 
§. 35. Vor Abgang des Schiffes ist der Gesundheitszustand der Auswanderer 
und der Schiffsbesatzung durch einen von der Auswanderungsbehörde (F. 40) zu 
bestimmenden Arzt zu untersuchen. 
§. 36. Der Bundesrath erläßt Vorschriften über die Beschaffenheit, Einrichtung, 
Ausrüstung und Verproviantirung der Auswandererschiffe, über die amtliche Besichti- 
gung und Kontrolle dieser Schiffe, ferner über die ärztliche Untersuchung der Reisenden 
und der Schiffsbesatzung vor der Einschiffung, über die Ausschließung kranker Personen, 
über das Verfahren bei der Einschiffung und über den Schutz der Auswanderer in 
gesundbeitlicher und stttlicher Hinsicht. 
Die vom Bundesrath erlassenen Vorschriften sind durch das Reichsgesetzblatt zu 
veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritte zur Kenntniß- 
nahme vorzulegen. 
§. 37. Als Auswandererschiffe im Sinne dieses Gesetzes gelten alle nach außer- 
europdischen Häfen bestimmten Seeschiffe, mit denen, abgesehen von den Kajütspassa- 
gieren, mindestens fünfundzwanzig Reisende befördert werden sollen. 
VI. Auswanderungsbehörden. 
§. 38. Zur Mitwirkung bei Ausübung der dem Reichskanzler auf dem Gebiete 
des Auswanderungswesens zustehenden Befugnisse wird ein sachverständiger Beirath 
gebildet, welcher aus einem Vorsitzenden und mindestens vierzehn Mitgliedern besteht. 
Den Vorsitzenden ernennt der Kaiser. Die Mitglieder werden vom Bundesrathe ge- 
wählt. Alle zwei Jahre findet eine Neuwahl sämmtlicher Mitglieder statt. Im 
Uebrigen wird die Organisation des Beiraths durch ein vom Bundesrathe zu er- 
lassendes Regulativ und seine Thätigkeit durch eine selbstgegebene Geschäftsord- 
nung geregelt. # 
§. 39. Die Anhörung des Beiraths muß erfolgen vor Ertheilung der Erlaubniß 
für solche Unternehmungen, welche die Besiedelung eines bestimmten Gebiets in über- 
seeischen Ländern zum Gegenstande haben, sowie im Falle der Beschränkung oder des 
Widerrufs der einem Unternehmer ertheilten Erlaubniß. # 
Außerdem können auf dem Gebiete des Auswanderungswesens von dem Reichs- 
kanzler geeignete wichtigere Fragen dem Beirathe zur Begutachtung vorgelegt und von 
letzterem Anträge an den Reichskanzler gestellt werden. 
§. 40 Zur Ueberwachung des Auswanderungswesens und der Ausführung der 
darauf bezüglichen Bestimmungen sind an denjenigen Hafenplätzen, für welche Unter- 
uehn zugelassen find, von den Landesregierungen Auswanderungsbehörden zu 
estellen.
	        
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