6 Abschnitt I. Verfassung des Deutschen Reichs.
Artikel 10. Dem Kaiser liegt es ob, den Mitgliedern des Bundesrathes.
den üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren ?.
IV. Präsidium.
Artikel 11. Das Präsidium des Bundes steht dem Könige von Preußen
zu, welcher den Namen Deutscher Kaiser führt:). Der Kaiser hat das Reich
völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden
zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen,
Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen).
Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zustimmung
des Bundesrathes erforderlich, es sei denn, daß ein Angriff auf das Bundes-
gebiet oder dessen Küsten erfolgt.
Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche Gegenstände
beziehen, welche nach Artikel 4 in den Bereich der Reichsgesetzgebung gehören.
ist zu ihrem Abschluß die Zustimmung des Bundesrathes und zu ihrer Gültig-
keit die Genehmigung des Reichstages erforderlich 7). Z
Artikel 12. Dem Kaiser steht es zu, den Bundesrath und den Reichs-
tag zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen.
Artikel 13. Die Berufung des Bundesrathes und des Reichstages findet
alljährlich statt und kann der Bundesrath zur Vorbereitung der Arbeiten ohne
den Reichstag, letzterer aber nicht ohne den Bundesrath berufen werden.
Artikel 14. Die Berufung des Bundesrathes muß erfolgen, sobald sie
von einem Drittel der Stimmenzahl verlangt wird.
Artikel 15. Der Vorsitz im Bundesrathe und die Leitung der Geschäfte
steht dem Reichskanzler zus) 2), welcher vom Kaiser zu ernennen ist7).
1!) Exemtion von der preußischen Gerichtsgewalt §§. 18—20 Ger. Verf. Gef.
27. Jan. 1877 (R. G. Bl. S. 41); Vorrechte hinsichtlich der Vernehmung als Zeugen
und Sachverständige §§ 347, 367 C. P. O. 30. Jan. 1877 (R. G. Bl. S. 83),
88. 49, 72 Str. P. O. 1. Febr. 1877 (R. G. Bl. S. 253).
*) Ueber die Führung des Prädikals „Kaiserlich“ durch die vom Kaiser ernannten
Behörden und Beamten, das Kaiserliche Wappen und die Kaiserliche Standarte vergl.
A. E. 3. Aug. 1871 (R. G. Bl. S. 318, berichtigt S. 458), über den Gebrauch
des Kaiserlichen Adlers zur Bezeichnung von Waaren oder Etiketten A. E. 16. März
1872 (R. G. Bl. S. 90) und Bek. 11. April 1872 (R. G. Bl. S. 93).
:) Doch werden hierdurch die Rechte der Einzelstaaten, ihre Angelegenheiten durch
Verträge mit fremden Staaten und durch Entsendung von diplomatischen Geschäfts-
trägern zu regeln, nicht aufgehoben, Ziff. VII, VIII, XI Schlußprot. zum Vertrage
mit Bayern 23. Nov. 1870 und Art. 52 Abs. 3.
!) Beim Abschlusse von Post= und Telegraphenverträgen mit außerdeutschen
Staaten sollen zur Wahrung der besonderen Landesinteressen Vertreter der angrenzenden
Bundesstaaten zugezogen werden, Ziff. XI Schlußprot, zum Vertrage mit Bayern
23. Nov. 1870.
5) Ueber das Recht Bayerns, durch seinen Vertreter im Falle der Verhinderung
Preußens den Vorsitz im Bundesrathe zu führen vergl. Ziff. IX a. a. O.
6) Reichsgesetz, betreffend die Stellvertretung des Reichskanzlers
vom 17. März 1878 (R. G. Bl. S. 7).
8. 1. Die zur Gültigkeit der Anordnungen und Verfügungen des Kaisers er-
forderliche Gegenzeichnung des Reichskanzlers, sowie die sonstigen demselben durch die
Verfassung und die Gesetze des Reichs übertragenen Obliegenheiten können nach Maß-
gabe der folgenden Bestimmungen durch Stellvertreter wahrgenommen werden, welche
der Kaiser auf Antrag des Reichskanzlers in Fällen der Behinderung desselben ernennt.
§. 2. Es kann ein Stellvertreter allgemein für den gesammten Umfang der
Geschäfte und Obliegenheiten des Reichskanzlers ernannt werden. Auch können für
diejenigen einzelnen Amtszweige, welche sich in der eigenen und unmittelbaren Ver-
waltung des Reichs befinden, die Vorstände der dem Reichskanzler untergcordneten
obersten Reichsbehörden mit der Stellvertretung desselben im ganzen Umfang oder in
einzelnen Theilen ihres Geschäftskreises beauftragt werden.
§ 3. Dem Reichskanzler ist vorbehalten, jede Amtshandlung auch während der
Dauer einer Stellvertretung selbst vorzunehmen.