10 Abschnitt 1. Verfassung des Deutschen Reichs.
Artikel 35. Das Reich ausschließlich hat die Gesetzgebung ) über das
gesammte Zollwesen, über die Besteuerung des im Bundesgebiete gewonnenen
Salzes und Tabaks, bereiteten Branntweins und Bieres und aus Rüben oder
anderen inländischen Erzeugnissen dargestellten Zuckers und Syrups, über den
gegenseitigen Schutz der in den einzelnen Bundesstaaten erhobenen Verbrauchs-
abgaben gegen Hinterziehungen, sowie über die Maßregeln, welche in den Zoll-
ausschlüssen zur Sicherung der gemeinsamen Zollgrenze erforderlich sind.
In Bayern, Württemberg und Baden bleibt die Besteuerung des in-
ländischen Branutweins:) und Bieres der Landesgesetzgebung vorbehalten.
Die Bundesstaaten werden jedoch ihr Bestreben darauf richten, eine Ueber-
einstimmung der Gesetzgebung über die Besteuerung auch dieser Gegenstände
herbeizuführen.
Artikel 36. Die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchs-
steuern (Art. 35) bleibt jedem Bundesstaate, soweit derselbe sie bisher aus-
geübt hat, innerhalb seines Gebietes überlassen.
Der Kaiser überwacht die Einhaltung des gesetzlichen Verfahrens durch
Reichsbeamte, welche er den Zoll= oder Steuerämtern und den Direktivbehörden
der einzelnen Staaten, nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrathes
für Zoll= und Steuerwesen, beiordnet. .
Die von diesen Beamten über Mängel bei der Ausführung der gemein—
schaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) gemachten Anzeigen werden dem Bundes-
rathe zur Beschlußnahme vorgelegt.
Artikel 37. Bei der Beschlußnahme über die zur Ausführung der
gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) dienenden Verwaltungsvorschriften
und Einrichtungen giebt die Stimme des Präsidiums alsdann den Ausschlag,
wenn sie sich für Aufrechterhaltung der bestehenden Vorschrift oder Einrichtung
ausspricht.
Artikel 38. Der Ertrag der Zölle und der anderen in Artikel 35 be-
zeichneten Abgaben, letztere soweit sie der Reichsgesetzgebung unterliegen, fließt
in die Reichskasse).
Dieser Ertrag besteht aus der gesammten von den Zöllen und den übrigen
Abgaben aufgekommenen Einnahme nach Abzug:
1. der auf Gesetzen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften beruhenden
Steuervergütungen und Ermäßigungen,
2. der Rückerstattungen für unrichtige Erhebungen,
3. der Erhebungs= und Verwaltungskosten, und zwar:
a) bei den Zöllen der Kosten, welche an den gegen das Ausland ge-
legenen Grenzen und in dem Grenzbezirke für den Schutz und die
Erhebung der Zölle erforderlich sind, #
b) bei der Salzsteuer der Kosten, welche zur Besoldung der mit Er-
hebung und Kontrollirung dieser Steuer auf den Salzwerken beauf-
tragten Beamten aufgewendet werden,
e) bei der Rübenzuckersteuer und Tabaksteuer der Vergütung, welche
nach den jeweiligen Beschlüssen des Bundesrathes den einzelnen
Bundesregierungen für die Kosten der Verwaltung dieser Stenern
zu gewähren ist,
bei den übrigen Steuern mit fünfzehn Prozent der Gesammteinnahme.
Die außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze liegenden Gebiete tragen
zu den Ausgaben des Reichs durch Zahlung eines Aversums beil.).
1!) Ueber das veto Preußens vogl. Art. 5 Abs. 2.
2) Die Branntweinsteuergesetzgebung ist jetzt einheitlich. Vergl. Ges. 24. Juni
1887 (R. G. Bl. S. 153) §S§. 47, 48 und Vd. 27. Okt, 9. und 23. Sept. 1887
(R. G. Bl. S. 491, 485, 487). Ueber die Besteuerung des Branntweins in Elsaß.
Lothringen vergl. Ges. 16. Mai 1873 (N. G. Bl. S. 111), des inländischen Bieres
§. 4 Ges. 25. Juni 1873 (R. G. Bl. S. 161). Uebergangsabgabe von Bier Ges.
22. März 1891 (G. S. für Els.-Loihr. S. 3).
2) Vergl. jedoch §. 8 Ges. 15. Juli 1879 (R. G. Bl. S. 207).
4) Wegen Helgoland vergl. §. 2 Ges. 15. Dez. 1890 (R. G. Bl. S. 207) und
Ges. 18. Febr. 1891 (G. S. S. 11).