Abschnitt I. Verfassung des Deutschen Reichs. 11
Bayern, Württemberg und Baden haben an dem in die Reichskasse
fließenden Ertrage der Steuern von Branntwein und Bier und an dem
diesem Ertrage entsprechenden Theile des vorstehend erwähnten Abersums
keinen Theil#).
Artikel 39. Die von den Erhebungsbehörden der Bundesstaaten nach
Ablauf eines jeden Vierteljahres aufzustellenden Quartal-Extrakte und die nach
dem Jahres= und Bücherschlusse aufzustellenden Finalabschlüsse über die im
Laufe des Vierteljahres beziehungsweise während des Rechnungsjahres fällig
gewordenen Einnahmen an Zöllen und nach Artikel 38 zur Reichskasse fließen-
den Verbrauchsabgaben werden von den Direktivbehörden der Bundesstaaten,
nach vorangegangener Prüfung, in Hauptübersichten zusammengestellt, in welchen
jede Abgabe gesondert nachzuweisen ist, und es werden diese Uebersichten an
den Ausschuß des Bundesrathes für das Rechnungswesen eingesandt.
Der letztere stellt auf Grund dieser Uebersichten von drei zu drei Monaten
den von der Kasse jedes Bundesstaates der Reichskasse schuldigen Betrag vor-
läufig fest und setzt von dieser Feststellung den Bundesrath und die Bundes-
staaten in Kenntniß, legt auch alljährlich die schließliche Feststellung jener
Beträge mit seinen Bemerkungen dem Bundesrathe vor. Der Bundesrath
beschließt über diese Feststellung.
Artikel 40. Die Bestimmungen in dem Zollvereinigungsvertrage vom
8. Juli 1867 bleiben in Kraft, soweit sie nicht durch die Vorschriften dieser
Verfassung abgeändert sind, und so lange sie nicht auf dem im Artikel 7,
beziehungsweise 78 bezeichneten Wege abgeändert werden?).
VII. Eisenbahnwesen.
Artikel 41. Eisenbahnen, welche im Interesse der Vertheidigung Deutsch-
lands oder im Interesse des gemeinsamen Verkehrs für nothwendig erachtet
werden, können kraft eines Reichsgesetzes auch gegen den Widerspruch der
Bundesglieder, deren Gebiet die Eisenbahnen durchschneiden, unbeschadet der
Landeshoheitsrechte, für Rechnung des Reichs angelegt oder an Privatunter-
nehmer zur Ausführung konzessionirt und mit dem Expropriationsrechte aus-
gestattet werden. · « ·
Jede bestehende Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet, sich den Anschluß
neu angelegter Eisenbahnen auf Kosten der letzteren gefallen zu lassen.
Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bestehenden Eisenbahnunter-
nehmungen ein Widerspruchsrecht gegen die Anlegung von Parallel= oder
Concurrenzbahnen einräumen, werden, unbeschadet bereits erworbener Rechte,
für das ganze Reich hierdurch aufgehoben. Ein solches Widerspruchsrecht kann
auch in den künftig zu ertheilenden Konzessionen nicht weiter verlichen werden.
Artikel 42. Die Bundesregierungen verpflichten sich, die Deutschen
Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz
verwalten und zu diesem Behuf auch die neu herzustellenden Bahnen nach ein-
heitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.
Artikel 43. Es sollen demgemäß in thunlichster Beschleunigung über-
einstimmende Betriebseinrichtungen getroffen, insbesondere gleiche Bahnpolizei-
Reglements eingeführt werden 3). Das Reich hat dafür Sorge zu tragen, daß
die Eisenbahnverwaltungen die Bahnen jederzeit in einem die nöthige Sicher-
heit gewährenden baulichen Zustande erhalten und dieselben mit Betriebs-
material so ausrüsten, wie das Verkehrsbedürfniß es erheischt.
Artikel 44. Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, die für den
durchgehenden Verkehr und zur Herstellung ineinander greifender Fahrpläne
nöthigen Personenzüge mit entsprechender Fahrgeschwindigkeit, desgleichen die
|) Vergl. jedoch Anm. 2 zu Art. 35 und wegen Elsaß-Lothringen Ges. 25. Juni
1873 (R. G. Bl. S. 161) §s. 4 Abfs. 2.
10. Vergl. Ges. 27. Mai 1885, betr. Abänderung des Vertrages (R. G. Bl.
S. 109).
*) Die Zuständigkeit des Bundesraths zum Erlasse solcher Reglements, insbe-
sondere der darin enthaltenen Strafvorschriften, ist vom Reichsgericht anerkannt,
E. Crim. X. 326. Vergl. Laband Bd. II S. 117.