318 Abschnitt V. Freizügigkeits-Gesetz.
um sich und seinen nicht arbeitsfähigen Angehörigen!) den nothdürftigen
Lebensunterhalt zu verschaffen, und wenn er solchen weder aus eigenem Ver-
mögen bestreiten kann, noch von einem dazu verpflichteten Verwandten erhält.
Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, diese Befugniß der Gemeinden zu be-
schränken ?).
Zu Anmerkung 4 auf S. 317.
wendung uns gegenüber anschließen. Ehe indessen die bisherige Praxis einem anderen
Bundesstaate, als den drei erstgenannten, gegenüber verlassen werden darf, ist unter
Darlegung des hierzu Veranlassung gebenden Falles meine Entscheidung einzuholen.
Im Uebrigen sind die oben unter 1 bis 4 mitgetheilten Grundsätze bei der Aus-
führung des §. 3 Abs. 2 des Freizügigkeitsgesetzes in Anwendung zu bringen, nach
welchen nunmehr einheitlich im Reiche verfahren werden wird, was einen nicht zu
verkennenden Vortheil gegenüber dem bisherigen Zustand bedeutet. Insbesondere ist
es von Werth, daß in Zukunft bezüglich des Berfahrens bei den hier in Frage
kommenden Ausweisungen die diesbezüglichen Bestimmungen des Gothaer Vertrages
wieder allgemein beobachtet werden.
In dieser Beziehung bemerke ich, daß vor Ertheilung der nach §. 8 des Ver-
trages einzuholenden Zustimmung zur Ausführung einer Ausweisung auf Grund des
5. 3 Abs. 2 die diesseitige Landespolizeibehörde, welche hierfür zuständig bleibt, zu
prüfen hat, ob, abgesehen von der oben erwähnten, nicht beseitigten Verschiedenheit in
der Auslegung des Gesetzes, dessen Voraussetzungen nach den aufgestellten Grund-
sätzen in dem betreffenden Falle vorliegen. Führt die Prüfung zu diesem Ergebniß,
so ist die Zustimmung nicht zu versagen, wenn der Ausgewiesene die preußische
Staatsangehörigkeit oder in Preußen einen Unterstützungswohnsitz besitzt. Ohne
Weiteres ist die Zuführung eines Ausgewiesenen zulässig, wenn er die erwähnten
Rechte in einem dritten Bundesstaate besitzt, welchem er nicht wohl auders als durch
preußisches Gebiet zugeführt werden kann, was umgekehrt auch bei Ausweisungen
aus diesseitigem Gebiete zu beachten ist. In einem solchen Falle bedarf es also nicht
der Zustimmung des mittleren, sondern des zurückliegenden Bundesstaates, nach dessen
Gebiet die Ausweisung gerichtet ist. ·
Dem Belieben des ausweisenden Bundesstaates ist es nach den vereinbarten
Grundsätzen überlassen, ob er den Ausgewiesenen nach seinem Heimathstaate oder
nach demjenigen Staate befördern will, in welchem der Ausgewiesene einen Unter-
stützungswohnsitz (Heimathrecht in Bayern) besitzt. Die Wahl wird nach Zweck-
mäßigkeitsrücksichten und u. A. darnach zu treffen sein, für welches der beiden Rechte
der Nachweis am leichtesten und zuverlässigsten in dem betreffenden Falle erbracht
werden kann. · «
Was den Durchtransport anlangt, so stellt sich dieser rechtlich als eine Fort-
setzung der von dem ersten Bundesstaate vollzogenen Ausweisung seitens des in der
Mitte liegenden Bundesstaates aus seinem Gebiet nach demjenigen des dritten Staates
dar, welche von der Polizeibehörde des mittleren Staates, der der Ausgewiesene zuge-
führt wird, auf kürzestem Wege auszusprechen ist. Die Kosten des Durchtransports
hat, wie bisher, der von demselben betroffene Bundesstaat zu tragen, da auch die
im §. 11 des Gothaer Vertrages vorgesehene Erstattung der Hälfte dieser Kosten im
Wege einer, demnächst stillschweigend auf unbestimmte Zeit verlängerten Vereinbarung
verzichtet worden ist (Res. 31. Dez. 1863, M. Bl. 1864 S. 15). Ich bemerke
indessen ausdrücklich, daß dieses nur für die nach Maßgabe des Gothaer Vertrages
zur Agabrung gelangenden Durchtransporte gilt, Res. 28. Juli 1894 (M. Bl.
S. 1
Vergl. auch Res. 24. Jan. 1895 (M. Bl. S. 18).
1) D. s. die zu seiner armenrechtlichen Familiengemeinschaft gehörenden, seinen
Unterstützungswohnsitz theilenden Personen. 4r“ 6 *47
2) Die zulässige Abweisung neu Anziehender ist nicht ein Akt polizeilicher Thärig-
keit, sondern eine Gemeindeverwaltungsmaßregel, zu der der Gemeindevorstand befugt
ist, ohne daß es dazu eines Beschlusses der Stadiwerordneten bedarf. Erst dann, wenn
die Abweisung thatsächlich durchzuführen ist, hat die Polizeiverwaltung nöthigenfalls
in Funktion zu treten, Res. 10. Jan. 1890 (M. Bl. S. 355. 6
Es ist zunächst Sache des Magistrats, zu beschließen, ob ein neu Anziehender
nach §. 4 a. a. O. abzuweisen oder einem Unterstützten nach §. 5 a. a. O. die Fort-